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Gräfendorf: „Ich muss um alles kämpfen und betteln“: Die Mutter der schwerkranken Emma aus Gräfendorf kämpft mit der Krankenkasse

Gräfendorf

„Ich muss um alles kämpfen und betteln“: Die Mutter der schwerkranken Emma aus Gräfendorf kämpft mit der Krankenkasse

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    Seit Januar ist Emma zu Hause. Hier wird sie viele Hilfsmittel benötigen.
    Seit Januar ist Emma zu Hause. Hier wird sie viele Hilfsmittel benötigen. Foto: Grom

    Die kleine Emma schläft auf ihrem Tagesbettchen auf dem Sofa. Ihr Gesicht ist friedlich und entspannt. Eine ganz normale Szene in einem Haushalt junger Eltern – wären da nicht die Schläuche und Apparaturen, an denen Emma angeschlossen ist. Wären da nicht die täglichen Anfälle und die Angst, die immer mitschwingt. Wären da nicht die vielen Tränen von Emmas Mutter Svenja Grom über die Situation, die nun mal so ist, wie sie ist, aber viel mehr noch die Wut darüber, dass manches einfacher sein könnte, wenn nicht zu all dem noch der ständige Kampf mit der Krankenkasse kommen würde.

    „Ich muss um alles kämpfen und betteln. Das ist furchtbar. Als hätte man sich das hier ausgesucht“, sagt Svenja Grom. Die 28-Jährige hatte vor gut einem Jahr eine Schwangerschaftsvergiftung. Ihre Tochter Emma kam neun Wochen zu früh auf die Welt und ist neurologisch schwer krank. Ihr erstes Lebensjahr verbrachte Emma in Krankenhäusern und in einer Spezialklinik bei Rosenheim. Mehrere Gehirn- und Magenoperationen hat die Kleine hinter sich, täglich erlebt sie epileptische Anfälle.

    Hilfsmittel von Spenden gekauft

    Weihnachten durfte sie zum zweiten Mal in ihrem Leben nach Hause zu ihren Eltern Svenja Grom und Johannes Dittmeier in Michelau bei Gräfendorf. Ihre Mutter hatte dieser Zeit mit Freude und Angst entgegengesehen. Einige Wochen später hat sich vieles eingespielt zu einem normalen Alltag, der mit landläufiger Normalität so gar nichts zu tun hat.

    Diesen Spezialsitz haben die Eltern inzwischen selbst gekauft. Verwendet haben sie dafür Geld aus den vielen Spenden.
    Diesen Spezialsitz haben die Eltern inzwischen selbst gekauft. Verwendet haben sie dafür Geld aus den vielen Spenden. Foto: Bianca Löbbert

    Für Svenja Grom ist es normal, dass ihre Tochter mehrere epileptische Anfälle am Tag hat, dass sie nicht isst und über eine Magensonde ernährt wird. Dass die Ernährungspumpe auch tagsüber in einem Rucksack mitgenommen werden muss und dass Emma nachts mit Sauerstoff versorgt wird. Ihr Alltag besteht aus Arztterminen, Physiotherapieterminen, einmal pro Woche kommt das Palliativteam mit einer Ärztin und einer Krankenschwester. Und wann immer es geht, ist Svenja Grom mit Emma an der frischen Luft, die die Kleine so liebt, beschäftigt sich mit ihr, macht Übungen und Spiele. Emma kann nicht krabbeln wie andere Kinder, sie kann nicht sitzen und sie kann ihren Kopf nicht selbstständig halten.

    Im vergangenen November habe die Krankenkasse einen Therapiestuhl, der von der Spezialklinik empfohlen wurde, abgelehnt. Grom hatte daraufhin eine Spendenaktion bei Gofundme ins Leben gerufen – mit großem Erfolg. Den Therapiestuhl hat sie inzwischen selbst gekauft.

    Große Spendenbereitschaft der Menschen

    Sind nun also durch die große Spendenbereitschaft der Menschen alle Probleme gelöst? Bei Weitem nicht. „Es gibt viele Hilfsmittel für Kinder wie Emma. Und je nach ihrem Entwicklungsstand und Wachstum werden wir immer wieder auf neue angewiesen sein. Und wie das läuft, macht mich jetzt schon fertig. Ich bin in einem ständigen Kampf mit der Krankenkasse, rufe dort täglich an. Neben all dem, was eh schon ist, kostet das zusätzliche Nerven und zermürbt“, berichtet Grom. Teilweise würden die Hilfsmittel einfach abgelehnt oder kämen erst Monate später nach Widersprüchen und erneuter Bearbeitung. Kinder wie Emma seien dann schon wieder so gewachsen, dass sie eigentlich das Hilfsmittel nicht mehr bräuchten oder bereits ein anderes.

    Auf die Frage nach einer Stellungnahme der AOK zur Kritik Betroffener, dass die Bereitstellung von Hilfsmitteln gerade für Kleinkinder zu lange dauert, äußerte sich die Pressestelle der AOK Bayern so: „Die AOK Bayern möchte ihre Versicherten zeitnah mit qualitativ hochwertigen Hilfsmitteln versorgen.“ Dabei entscheide man über Leistungsanträge für alle Versicherten nach den gleichen Grundsätzen. Basis dafür bildeten das Sozialgesetzbuch und andere bundesweit gültige Richtlinien. Bei unklarer Lage würden zudem medizinische Gutachten durch Experten des Medizinischen Dienstes Bayern (MD) angefertigt.

    Emmas Eltern kämpfen mit der Krankenkasse um die Hilfsmittel.
    Emmas Eltern kämpfen mit der Krankenkasse um die Hilfsmittel. Foto: Grom

    Zuletzt habe die AOK einen Spezial-Kindersitz fürs Auto abgelehnt. „Ein normaler Kindersitz würde auch reichen, hat man mir gesagt“, sagt Grom. Fast täglich muss sie mit Emma zu Terminen fahren, alle drei Monate nach Vogtareuth zur Spezialklinik – rund 400 Kilometer einfach. „Der Spezialsitz wäre viel besser gepolstert für Emmas aufrechten Sitz und den Kopf“, sagt Grom. Vielleicht würde Emma dann beim Fahren auch nicht so sehr jammern. „Es ist auf jeden Fall sehr unbequem für sie. Und ich fahre schon so vorsichtig, habe immer Angst, dass ich mal stärker bremsen muss“, sagt die Mutter.

    Das Gutachten des MD sei zu dem Ergebnis gekommen, dass ein handelsüblicher Autokindersitz ausreichend sei, heißt es von der Pressestelle der AOK. Die Familie habe Widerspruch gegen die Ablehnung des Antrags eingelegt. Hier laufe nun der Prozess von Widerspruch, Begründung und erneuter Prüfung.

    Reha-Buggy kam nach langer Wartezeit

    Statt des Therapiestuhls, den sie inzwischen selbst gekauft hat, habe die AOK einen wesentlich teureren Therapiestuhl genehmigt. „Dort kann ich aber Emma nicht in einer Schale herausnehmen und mal woanders hinsetzen. Außerdem wurde die höhenverstellbare Variante abgelehnt, so hätte man auch mal am Boden sitzen und spielen können. Das wird wohl nur genehmigt, wenn es Geschwisterkinder gibt“, sagt Grom. Ihren Widerspruch gegen die Ablehnung des höhenverstellbaren Stuhls will Grom jetzt zurückziehen. „Sonst dauert das noch länger und dann passt Emma gar nicht mehr rein.“

    Der Wunsch der Familie von Emma Grom nach einem speziellen Therapiestuhl sei der AOK nicht bekannt, antwortet die Pressereferentin Vedrana Romanovic von der AOK Bayern. Tatsächlich hat Svenja Grom die Ablehnung der Kostenübernahme für das beantragte Hilfsmittel durch die AOK von ihrer Klinik in Vogtareuth zugesandt bekommen. Die Sitzschale ist allerdings nicht als offizielles Hilfsmittel gelistet.

    Nach der Ablehnung hat die Klinik eine Verordnung für einen anderen Therapiestuhl mit einer bestimmten Ausstattung ausgestellt. Der entsprechende Kostenvoranschlag erreichte die Krankenkasse laut Pressestelle am 20. Dezember 2024. Ein von der Krankenkasse beauftragtes Gutachten spreche sich für den Therapiestuhl aus, allerdings mit einem Untergestell ohne High-Low-Funktion, weshalb das Therapiestuhl-Modell mit dieser Funktion abgelehnt wurde.

    Erneut hatte nun Grom die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen und diesen zu begründen. Am 17. März schließlich lenkt sie ein – und verzichtet auf das höhenverstellbare Untergestell. Monate sind vergangen seit der Beantragung und sie nehme nun lieber den Therapiestuhl mit eingeschränkter Funktion als gar keinen, sagt Grom. Der ebenfalls letztes Jahr beantragte Reha-Buggy ist nun endlich vor kurzem bei der Familie in Michelau angekommen. „Das hat auch ewig gedauert. Im September, Oktober wurden Emmas Maße für das maßangefertigte Teil genommen“, berichtet Grom.

    Auf Dauer nicht tragbar

    Verzweiflung, Ärger, Wut: „Wir kriegen ständig gesagt, dass wir ein schwer krankes Kind haben. Ich verstehe es einfach nicht, wenn die Spezialklinik Hilfsmittel verordnet, wie dann die Krankenkasse sagen kann, das braucht Emma alles nicht“, so Grom. Durch die Spendenaktion hätte die Familie jetzt zwar einen auf den ersten Blick guten Puffer, für jedes Hilfsmittel an das Geld ranzugehen, sei aber keine Lösung. Rund 45.000 Euro seien inzwischen über die Gofundme-Aktion und private Spenden zusammengekommen, die die Familie auf ein Extrakonto für Emma gelegt habe. „Es werden aber auch bald große Investitionen kommen, auf die wir uns vorbereiten müssen“, sagt Grom.

    Die häusliche Situation sei auf Dauer nicht tragbar. Die Familie lebt in einem alten Bauernhaus, mit schmalen Treppen, Türrahmen, nicht barrierefrei ausbaubar. Sobald Emma etwas größer ist und andere Hilfsmittel wie einen Rollstuhl benötigt, werden sie hier nicht mehr leben können. Auch mit ihrem kleinen Auto hat Svenja Grom bereits jetzt Probleme: Den Reha-Buggy bekommt sie kaum alleine rein und raus.

    Zu all dem komme die Belastung, nun auf sich alleine gestellt zu sein. „Weihnachten waren wir das erste Mal zusammen und da waren wir ja zu zweit. Da haben wir die Zeit sehr genossen“, sagt Grom. Ihr Mann gehe nun wieder täglich und Vollzeit arbeiten. Emma mal, wie andere Kinder, einen Nachmittag bei der Oma oder Freundin lassen – das sei aufgrund ihrer schweren Erkrankung nicht möglich. „Ich bin jetzt ganz auf mich gestellt. Das ist schon eine andere Hausnummer. Es ist ja auch keine Schwester da, die man im Notfall kurz fragen kann, was zu tun ist“, sagt Grom. Der Palliativdienst habe nun begonnen, nach Möglichkeiten der Pflegeunterstützung zu suchen. „Denn auf Dauer schaffe ich das nicht alleine“, sagt Grom. Sie hoffe nur, dass dies nicht auch noch abgelehnt werde.

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