Unter der Woche, Nachmittag im Haus Hildegard im Caritas-Kinder- und Jugenddorf Sankt Anton in Riedenberg : Zwei der neun Kinder kommen gerade von der Schule, die meisten anderen sitzen bei den Hausaufgaben, andere verabschieden sich schon wieder zu einem der vielen Freizeitangebote. Zum Mittagessen gibt es Brotzeit. „Das ist in jedem Haus unterschiedlich, wir hier kochen auf abends warm“, erzählt Laura Gleichmann. Die 22-Jährige stammt aus Fulda, hat dort ihre Ausbildung absolviert und kam zufällig zum Anerkennungsjahr ins Kinderdorf. Die Arbeit hat ihr gefallen, also bewarb sie sich. Nun ist sie eine der Betreuerinnen im Haus Hildegard, berichtet das Würzburger katholische Sonntagsblatt.
Seit mehreren Jahren im Haus
Jeweils seit sieben Jahren wohnen die neunjährige Lisa (einige Namen geändert) und die zehnjährige Lauren im Haus. Beide fühlen sich sehr wohl hier. „Es gibt auch mal Streit“, erzählt Lisa, aber das werde immer schnell geklärt. Lauren besucht gerne Freundinnen in anderen Häusern. Beide Mädchen tanzen in der örtlichen Tanzgruppe.
Jedes Kind im Kinderdorf hat ein Einzelzimmer für sich, Mädchen und Jungs sind auf verschiedenen Stockwerken untergebracht, die Mädchenzimmer sind für Jungs tabu und umgekehrt. Auch sonst gebe es einige strenge Regeln, etwa zum Umgang mit dem Smartphone. „Aber die Erzieher sind alle nett hier“, betont Lisa.
Weihnachten im Kinderdorf
Jeweils seit neun Jahren leben Christopher (13) und David (12) im Kinderdorf Riedenberg . „Ich habe alles, was ich brauche“, erzählt Christopher. Seine Freizeit verbringe er am liebsten mit Freunden. Die Bewohner des Hauses Hildegard haben ihn zum Gruppensprecher gewählt: Alle Gruppensprecher zusammen bilden den Kinderdorfrat, der mit der Leitung Vorschläge und Wünsche der Kinder bespricht. David ist einer der aktivsten im Haus: In seiner Freizeit spielt er Tenorhorn in der Jugendkapelle des Musikvereins Riedenberg und Fußball beim örtlichen Sportverein. Deshalb habe er auch viel Kontakt zu Jugendlichen aus dem Ort. Wie alle Kinder im Haus Hildegard verbringt David Weihnachten im Kinderdorf. „Wir gehen in den Gottesdienst, essen gemeinsam und sitzen dann noch zusammen“, schildert er den gewohnten Ablauf.
Stationäre und teilstationäre Plätze
„Insgesamt haben wir 65 stationäre Plätze“, berichtet Stephan Schilde, Gesamtleiter der Caritas-Einrichtung in Riedenberg . Hinzu kommen 20 Kinder und Jugendliche, die teilstationär, also am Nachmittag betreut werden. „In der Regel kommen Kinder ab fünf Jahren zu uns, bei Geschwisterkindern gibt es aber auch Ausnahmen“, berichtet Schilde. Jüngere Kinder seien in Pflegefamilien meist besser aufgehoben.
Die Kinder kommen vor allem aus Unterfranken, es gebe aber auch eine langjährige Zusammenarbeit mit der Stadt Frankfurt am Main. Zwar habe die große Mehrheit der Kinder in der Einrichtung noch leibliche Eltern, aber bei fast allen sei aus ganz unterschiedlichen Gründen absehbar, dass sie den Rest ihres Kinderlebens in Riedenberg verbringen. „Deshalb waren auch fast alle an Weihnachten hier“, sagt Schilde.
Die Jugendhilfe könne im Prinzip bis zum 27. Lebensjahr laufen, sagt der Leiter des Kinderdorfes, allerdings ende die Unterbringung meist mit dem Ende der Berufsausbildung. Viele Kinder würden 15 und mehr Jahre in der Caritas-Einrichtung verbringen. „Wir wollen den Kindern eine Heimat geben, aber wir wollen nicht die Eltern ersetzen“, nennt Schilde als einen der Leitgedanken.
Für die Unterbringung erhält das Kinder- und Jugenddorf feste Leistungsentgelte pro Kind und Tag. Darin enthalten seien zwar auch Sonderleistungen etwa für einen Sommerurlaub oder für Weihnachtsgeschenke , aber: „Das Entgelt ist knapp bemessen, wir können damit nicht alles ausgleichen.“ Deshalb seien private Spenden so wichtig.
Urlaub, Therapien, Spielgeräte
Im Sommer habe es daraus zum Beispiel Zuschüsse für Urlaubsfahrten gegeben. Dadurch könne sich eine Gruppe mit neun Kindern und den Betreuern eben doch mal ein Ferienhaus buchen, das sonst zu teuer gewesen wäre. Auch ergänzende psychologische Tests, besondere Therapien oder Spielgeräte seien dank der Spenden finanzierbar. „Und die Häuser haben ein Budget, über das sich zum Beispiel mal ein Kind sein Zimmer individuell gestalten kann.“
Die Wünsche der Kinder
Und was wünschen sich Lauren, Lisa, Christopher und David? Lisa fällt ein Spiel ein, das sie in einem der anderen Häuser gesehen hat. Ein neues Volleyballnetz oder eine Tischtennisplatte für draußen werden noch genannt. Aber alles in allem sind die vier zufrieden mit dem, was sie haben und wie sie leben. Alle vier scheinen sich sicher und geborgen zu fühlen hier in Riedenberg .
Diesen Eindruck hat auch Laura Gleichmann nach ihren ersten zweieinhalb Jahren im Kinderdorf. „Es ist schön zu sehen, wie sich die Kinder weiterentwickeln“, sagt sie. Sie habe alle ins Herz geschlossen, trotzdem sei ihr auch eine professionelle Distanz wichtig: „Man muss etwas Abstand wahren, damit man abschalten kann“, sagt die 22-Jährige. Das macht sie auch räumlich: Sie pendle lieber weiter aus Fulda nach Riedenberg , um nach den bis zu 24 Stunden langen Schichtdiensten runterzukommen.