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Geroda: Türchen 5 im Kissinger Adventskalender: Regina Schenk über die Kunst der hässlichen Plätzchen

Geroda

Türchen 5 im Kissinger Adventskalender: Regina Schenk über die Kunst der hässlichen Plätzchen

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    Türchen 5 im Kissinger Adventskalender: Regina Schenk über die Kunst der hässlichen Plätzchen
    Türchen 5 im Kissinger Adventskalender: Regina Schenk über die Kunst der hässlichen Plätzchen

    In der Adventszeit waren in unserer Familie die Backtage immer etwas ganz Besonderes. Meine drei Geschwister und ich halfen beim Ausstechen, bestreichen, zusammenkleben und verzieren der Plätzchen.

    Schon früh lernten wir, dass Advent die Zeit des Wartens und Fastens ist. Plätzchen gab es nur an den Adventssonntagen. Jeder durfte von jeder Sorte genau eines essen. "Probiererle", nannte meine Mutter es. Denn meistens waren es jene Plätzchen, die kleine Fehler aufwiesen. Sehnsüchtig warteten wir auf den nächsten Sonntag. Jede Woche wurde gebacken und somit gab es zunehmend mehr Sorten.

    Beim Verzieren passierte es manchmal, dass ein Plätzchen aus den Händen glitt und mitten in die Schüssel mit Zuckerguss oder Schokolade fiel. Manchmal brach eine Ecke eines Zimtsternes ab. Diese Plätzchen waren für Weihnachten ungeeignet. Wenn Großeltern, Tanten und Onkel mit ihren Familien kamen, da sollten nur schöne Plätzchen angeboten werden. Selbst als Probiererle waren sie nicht ausreichend. Es waren verunglückte und hässliche Plätzchen.

    Aber weggeworfen werden durften sie auch nicht, weil die Zutaten kostbar waren. Also wanderten diese hässlichen Plätzchen in den Mund. Es dauerte nicht lange und der Name "hässliche Probiererle" war erkoren. Eines Tages rempelte mein jüngerer Bruder mich an und eines der schönsten Plätzchen brach. Die eine Hälfte hielt ich noch in der Hand, die andere lag im Topf mit der geschmolzenen Schokolade. Grinsend meinte mein Bruder: "Jetzt musst du es leider essen, es ist zum hässlichen Probiererle geworden."

    Schnell war eine grandiose Idee geboren: Absichtlich Plätzchen misslingen lassen, damit wir sie essen können. Dabei achteten wir sehr genau darauf, dass es nicht zu viele hässliche Probiererle werden, damit es nicht auffällt. Das Warten im Advent bekam eine neue Dimension. Wir warteten auf den Moment, in dem unsere Mutter uns nicht im Blick hatte. Besonders geeignet war der Augenblick, wenn Plätzchen aus dem Ofen geholt wurden. Das Piepsen des Timers kündigte den passenden Zeitpunkt für ein vermeintliches Missgeschick an.

    Diese hässlichen Probiererle wurden zum absoluten Highlight in der Adventszeit. Sie schmeckten am allerbesten. Wir fasteten sozusagen schöne Plätzchen. Wir lernten, auf den richtigen Zeitpunkt zu warten. Und wir schmeckten anhand der hässlichen Probiererle, wie verheißungsvoll Weihnachten ist.

    Text: Regina Schenk

    Foto: Thomas Schenk / Montage: Anne Schmidhuber

    Regina Schenk (50) ist Ev.-Luth. Pfarrerin in der Kirchengemeinde Geroda und der Altenheimseelsorge Bad Brückenau.

    In der Kolumne "Kissinger Adventskalender" schreiben Menschen aus dem Landkreis Bad Kissingen Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.

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