Es braucht ein wenig Fantasie, um sich Iphofens Stadtkämmerer Günther Schell in einer Achterbahn vorzustellen. Aber genau so muss sich der eher bodenständige Zahlenmensch im vergangenen Jahr gefühlt haben. So heftig wie 2024 waren die Wellenbewegungen im städtischen Haushalt vielleicht noch nie. Und nicht von ungefähr sprach Bürgermeister Dieter Lenzer am Montagabend vor dem Stadtrat von einem "äußerst bemerkenswerten Haushaltsjahr". So rapide wie man anfangs nach unten gerauscht war, so raketenartig ging es anschließend nach oben. Das dicke Ende aber kommt erst noch.
Mit einer Hiobsbotschaft hatte der Bürgermeister vor einem Jahr seine kurze Haushaltsrede eröffnet. "Wir sind zwischen Weihnachten und Dreikönig um dreieinhalb Millionen Euro ärmer geworden", musste er dem Stadtrat verkünden. Weder hatten Panzerknacker den Geldspeicher geplündert, noch war die Stadt einem Trickbetrüger aufgesessen. Dem wundersamen Schwund lagen offizielle Bescheide zugrunde, nach denen die Stadt zunächst 2,8 Millionen Euro und dann noch einmal 600.000 Euro Gewerbesteuer zurückzahlen musste. Solche "Sondereffekte" entstehen durch Abschreibungen oder Verluste eines Unternehmens.
Wie Knauf der Stadt einmal mehr die Kassen gefüllt hat
Dem ernüchternden Anfang folgte in der zweiten Jahreshälfte eine Finanzrallye, mit der der Verlust nicht nur wettgemacht wurde. Laut Lenzer lagen die Einnahmen aus der Gewerbesteuer am Ende 2,8 Mal höher als geplant. Geht man von einem kalkulierten Ansatz von 11,5 Millionen Euro aus, so müsste das Ergebnis also bei mehr als 32 Millionen Euro gelegen haben. Das wäre selbst für Iphöfer Verhältnisse ein nie dagewesener Rekordwert.

Der unverhoffte Geldregen hat den städtischen Finanzspeicher prall gefüllt: Mit einem Mal wuchsen die Rücklagen von 13 Millionen Euro Ende 2023 auf fast 27 Millionen Euro Ende 2024. Auch wenn es hierzulande ein Steuergeheimnis gibt, an das sich alle Beteiligten auch in diesem Fall halten: Jeder weiß, dass bei solchen Summen vom Global Player Knauf die Rede ist, der in Iphofen seine Zentrale hat und die Stadt mit seinen Gewerbesteuern in der Regel reich beschert. Seltener musste sie bislang Steuern zurückerstatten.
Darf die Stadt die Mehreinnahmen von Knauf behalten?
Noch hat die Stadt bei diesem finanziellen Tidenhub zumeist Oberwasser, aber der zuletzt deutlich beschleunigte Gezeitenwechsel aus Ebbe und Flut in der Stadtkasse birgt ein "Dilemma", wie der Bürgermeister sagt. Denn er erschwert die Planungen im Rathaus. Und bei aller Freude über den warmen Geldregen – ein nicht unerheblicher Teil der sprudelnden Einnahmen wird im kommenden Jahr wieder abfließen. "Wir wissen schon heute", sagt Lenzer, "dass wir 2026 eine Kreisumlage von 15 Millionen Euro aufwenden müssen." Die Kommunalabgabe an den Kreis, die immer mit zwei Jahren Verzug anfällt, wird dann mehr als doppelt so hoch liegen wie in diesem Jahr.

Den "erfreulichen Rückenwind" aus 2024 nimmt die Stadt laut Lenzer mit in dieses Jahr. Von einem neuen Rekord ist sie zwar – Stand heute – weit entfernt. Aber ein stattlicher Haushalt ist es bei geplanten Ausgaben von 47,6 Millionen Euro auch diesmal geworden. Dass der Vermögensetat, in dem alle Investitionen abgebildet sind, um zehn Prozent auf 16,8 Millionen Euro geschrumpft ist, hat nach Worten des Bürgermeisters vor allem einen Grund: Die Stadt verzichtet in diesem Jahr komplett auf Kredite.
Welche großen Projekte packt die Stadt Iphofen dieses Jahr an
Man kann daraus aber auch ablesen, dass Iphofen derzeit das Risiko großer Projekte scheut. Was einen Neubau des Hallenbads angeht, so wartet man auf Signale von Bund und Freistaat, und um die Weinbergsbewässerung ist es zuletzt verdächtig still geworden. Vizebürgermeister Hans Brummer gab am Montag den dezenten Hinweis, die Stadt möge die Planung einzelner Projekte weiterführen, damit diese rasch umgesetzt werden könnten, sobald staatliche Zuschüsse in Aussicht stehen und die Finanzierung gesichert ist.

So bleibt als größter Posten mit 1,8 Millionen Euro die Erweiterung des Gewerbegebiets Alte Reichsstraße, wo der Backmaschinenhersteller Fritsch 2026 ein neues Werk bauen will. Ein zweites Millionenprojekt – der Ausbau der B 286 in Birklingen – ist bereits erledigt und wird 2025 nur noch abgerechnet.
Positiv wertete der Bürgermeister, dass Iphofen seinen Schuldenberg weiter abgetragen hat und nun bei 3,2 Millionen Euro steht. Eine erträgliche Last, wenn man weiß, dass die Stadt für das geliehene Geld im Durchschnitt nur 0,1 Prozent Zinsen zahlt; die Kredite stammen laut Lenzer fast komplett aus der "Nullzinsphase". Umgekehrt werfen die Rücklagen der Stadt jährliche Zinsen von rund 200.000 Euro ab. Für 2025, so schreibt der Kämmerer, seien aus den Anlagen "einmalig sehr hohe Erträge" zu erwarten.