Der Weihnachtsmann mag ja im Nachbarort North Pole wohnen, aber für Heike Bybee und ihre Familie steht eines fest: Das Christkind bringt die Geschenke. Selbst die Söhne im Alter von elf und fast 14 Jahren sprechen nicht aus, wer die Päckchen in Wahrheit unter ihren Christbaum in Fairbanks (Alaska) legt. Santa Claus jedenfalls nicht; da sind sich alle einig. Weihnachten bei den Bybees ist so deutsch wie nur irgend möglich. Denn Weihnachten ist Heimat – und die ist weit weg: Über 7000 Kilometer trennen Fairbanks und Wiesenbronn.

Vermutlich ist Heike Bybee darum erst recht "eisern und stur mit den Traditionen": Sie backt "Butterplätzli" und Vanillekipferl, nicht Cookies, kocht an Heiligabend Ente mit Klößen und Blaukraut. Im Fenster stehen Lichterbögen, und Popcorn oder Schleifen kommen ihr nicht an den Baum. Noch dazu gibt sie die deutschen Bräuche gerne an ihre Freunde in den USA weiter: "In unserem Bekanntenkreis gibt es kein Kind mehr, dass mittlerweile nicht auch einen Adventskalender hat."
Das amerikanische Weihnachten ist ihr zu laut und zu blinkend
Es ist ein Festhalten an Kindheitserinnerungen, die so anders sind als "das typisch amerikanische Weihnachten". Das sei für sie immer noch "zu laut und blinkend", sagt die Mutter von Max und Tim. Für sie sei Weihnachten, "wenn ich in Wiesenbronn in der Kirche stehe, der Posaunenchor 'O du fröhliche' spielt und ich mitsinge".

Als sie davon am Telefon erzählt, kommen ihr kurz die Tränen. Doch mit einem Scherz wischt sie die traurigen Gedanken schnell beiseite. Ihre Schüler werden wohl gleich merken, "dass die Bybee wieder Heimweh hat". Zeit dafür hat sie ohnehin nicht: In Fairbanks ist es gerade früh am Morgen, die Mathe-Lehrerin steht kurz vor dem Ende ihres Referendariats und muss los in die Schule.

Weihnachten hat sie zuletzt 2019 bei ihren Eltern Gerlinde und Siegfried Troll in Wiesenbronn erlebt. Dann kam Corona – und den Bybees gelang gerade noch so der Umzug nach Alaska mit Wohnmobil und Laster. "Die Reise meines Lebens" nennt die 40-Jährige diese Fahrt durch die USA und Kanada auf dem Alaska-Highway ALCAN, vorbei an Büffeln und Bären. Und hinein in ein Leben nahe des Polarkreises, von dem sie sagt: "Es ist ein Traum, wunderschön, aber du musst halt dafür gemacht sein."
Bei -37 Grad frieren die Augenbrauen und Nasenhaare ein
Ihre Beschreibung dieses Traums hört sich an wie ein Bericht vom Ende der Welt: Minus 37 Grad Celsius hatte es dort einige Tage vor Heiligabend. "Da frieren dir die Augenbrauen und Nasenhaare ein", sagt Heike Bybee und lacht. Aktuell sehen sie die Sonne dort nur eine Stunde am Tag. Ohne Vitamin D und sogenannte Happy Lamps, die das Tageslicht simulieren, kommt keiner gut durch diesen langen, dunklen Winter.

Den dritten und letzten erlebt die vierköpfige Familie nun in Fairbanks. Im Sommer wird es zurückgehen nach Kansas, wo Rob Bybee schon einmal stationiert war, als die beiden Jungs noch klein waren. Als Soldat gehören die Ortswechsel zu seinem Job als First Sergeant bei der US-Army. Das weiß auch seine Frau, die ihn kennengelernt hat, als er am damaligen Army-Standort in Schweinfurt eingesetzt war.
"Ich hab' Schweineglück; mein Leben ist echt ein Abenteuer."
Heike Bybee lebt mit ihrer Familie in Alaska
Das war 2006. Die Hochzeit und die Geburt des ersten Sohnes Maximilian folgten 2008. Für Heike Bybee ist es ein aufregendes Leben, das sie genießt, für das sie dankbar ist. "Ich hab' Schweineglück; mein Leben ist echt ein Abenteuer", sagt sie gerade raus. Doch das Heimweh ist der Preis, den sie dafür bezahlt.

Was dagegen hilft: Traditionen aus der Heimat ins temporäre Zuhause zu importieren. Darum hatte die 40-Jährige im Advent ihre Garage auch in einen fränkischen Weihnachtsmarkt verwandelt. Es gab Bratwürste und eine Gulasch-Kanone, Brotzeit, Glühwein und Kaba für die Kinder. Der Clou daran: Dank einer großen Leinwand wirkte es so, als würde die eingeladenen Freunde von der Bierbank direkt in die weihnachtlich geschmückte Kitzinger Fußgängerzone schauen.
In North Pole ist das ganze Jahr über Weihnachten

Ein anderer Anblick, als sie ihn täglich in der Industriestadt Fairbanks haben, gegründet 1902 von Goldgräbern. Wer mehr Weihnachtsstimmung will, muss vorbei an Rentier-Farmen ins gut 20 Kilometer entfernte North Pole fahren. Dort ist mit dem amerikanischen Weihnachtspostamt das Pendant zum unterfränkischen Himmelstadt. Aber in North Pole ist eigentlich das ganze Jahr über Weihnachten mit rot-weißen Laternenmasten, die aussehen wie Zuckerstangen – und dem Haus von Santa Claus.
Doch Heike Bybee wird auch in ihrem letzten Winter in Alaska dem Christkind treu bleiben. Eine besondere Verbindung scheinen die beiden sowieso zu haben: Vor 14 Jahren am 24. Dezember kam ihr erster Sohn Maximilian in Kitzingen zur Welt.

Mit ihrem eigenen Christkind, das längst ein Stück größer ist als seine Mutter, wird die Familie an Heiligabend erstmal Geburtstag feiern. Und Weihnachten dann am 1. Weihnachtsfeiertag, ausnahmsweise also nach US-amerikanischer Tradition, die sogar Heike Bybee sehr schätzt: "Da verbringen wir den ganzen Tag im Schlafanzug auf der Couch, machen Geschenke auf und spielen miteinander. Das ist so gemütlich."