Wahrscheinlich denken Sie ab und zu an Ihre Schulzeit. Was haben Sie dort gelernt und warum? Non scholae sed vitae discimus – nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Diese römische Weisheit prangerte an der Stirnwand unserer Schulaula. Wir erhalten sekundenschnell zahllose SMS, Mails, Nachrichten; es streamt und googelt unaufhörlich. Klassisches Radio und TV, Kopf- und Handrechnen gehören eher der Vergangenheit an – jedenfalls in der Generation xyzlast.
Lesen: Lebt denn der alte Bücherwurm noch? In der Tat, die Frankfurter Buchmesse lockt viele Leser und Leserinnen an, Bücher im Urlaub, als Geschenke für Geburtstage und zu Weihnachten bleiben en vogue, in print und online. Wir benutzen in allen Generationen Handys, Zeitschriften und Newsletter, um uns zu unterhalten und zu informieren. Bücher und Zeitschriften sterben nicht – wie befürchtet– aus. Beobachten Sie einmal das rege Treiben im Zeitschriftenkiosk am Hauptbahnhof Würzburg oder im Buchladen.
Schreiben: Menschen, die Artikel schreiben oder ganze Bücher, faszinieren uns. Wie kann jemand wochenlang am Schreibtisch sitzen und voller Konzentration über Stunden Sätze bilden?! Junge Leute tippen rasend schnell in ihr Handy. Sie formulieren oft keine Sätze. Es gleicht eher dem Morsen und Funken von SOS. Emoijs und Clicks statt Worte.
Weihnachten steht vor der Tür: Wer kann noch einen Weihnachtsbrief, einen schriftlichen Gruß oder gar einen Liebesbrief schreiben? Frühere Generationen lesen die Liebesbriefe ihres Lebenspartners noch heute. Die zärtlichen Worte ruhen in einer Schachtel bewahrt auf rosa Papier, nicht im Handy-Speicher.
Die drei Ein-Gott-Religionen Judentum, Christentum und Islam beziehen sich auf heilige Bücher, die über Jahre gewachsen sind. Uralte Schriften werden entdeckt und entziffert wie jetzt wieder auf einem Papyrus in der Nähe von Neapel.
Vor allem Christen lesen neben den Evangelien zahlreiche Briefe in der Bibel, zum Beispiel von Petrus, Paulus und Johannes. Briefe enthalten einen Absender und einen Empfänger – mit freundlichen Grüßen an die christlichen Gemeinden. Es ist selbstverständlich: Lesen und Schreiben gehören zusammen. Sie machen aus einem Analphabeten einen gebildeten Menschen. Wer heilige Bücher liest oder auch kritisch-aufklärerische, der hat Chancen, ein mündiger Christ, Moslem, Jude, Demokrat, Mensch zu werden.
Rechnen: Im Alltag müssen wir kaum noch rechnen können. Dies übernehmen für uns Supercomputer, Künstliche Intelligenz mit ihren Algorithmen, Chat-Roboter, Rechner eben. Wer beherrscht noch das Einmaleins im Kopf, kann schriftlich addieren und subtrahieren oder sogar dividieren? Es besteht die Gefahr, dass wir unser Leben und die Zukunft der Menschheit Robotern und Automaten überlassen, die unmenschlich und klimafeindlich entscheiden und eine Gefahr für uns bedeuten.
Beten: Vom Kirchenjahr her stehen wir am Ende des Rosenkranzmonats Oktober und erwarten am 1. November das Fest Allerheiligen. Beim Rosenkranz wiederholen wir 50 mal das Ave Maria, unterbrochen durch das Vaterunser nach jeder zehnten Perle. Mit den Gesätzen (!) des Rosenkranzes betrachten wir die Geheimnisse des Glaubens. Wir dürfen dieses Gebet auch frei formulieren und dabei an unsere Gesellschaft, an die Mitmenschen, das gefährdete Klima, die Kriege, an Arme, Unterdrückte und Kranke denken. Im Sinne des jüngsten Apostolischen Schreibens "Laudate Deum" zur Eröffnung der gerade endenden Weltsynode in Rom rütteln wir an der Trägheit der "Zukunftsatheisten" (Peter Sloterdijk): Beten wir zusammen mit dem Papst und dem Heiligen Schutzpatron des Klimas, Franz von Assisi, "Laudato si": Christen, Moslems und Juden sollten Gott loben und danken, damit es nicht nur "ein bisschen Frieden" gibt.
Der Autor: Michael Persie (Buchbrunn), geboren 1950 in Bad Neuenahr, war bis September 2016 Lehrer am Staatlichen Beruflichen Schulzentrum Kitzingen-Ochsenfurt und unterrichtete in den Fächern Religion, Deutsch und Sozialkunde.