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Wiesenfeld/Würzburg: Prozess um Mord an Sabine B. in Wiesenfeld vor 31 Jahren endet mit Urteil: So verhandelte das Landgericht Würzburg

Wiesenfeld/Würzburg

Prozess um Mord an Sabine B. in Wiesenfeld vor 31 Jahren endet mit Urteil: So verhandelte das Landgericht Würzburg

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    Unter großem Interesse der Öffentlichkeit erging am 20. Dezember im Prozess um den Tod eines 13-jährigen Mädchens aus Wiesenfeld das Urteil des Landgerichts Würzburg.
    Unter großem Interesse der Öffentlichkeit erging am 20. Dezember im Prozess um den Tod eines 13-jährigen Mädchens aus Wiesenfeld das Urteil des Landgerichts Würzburg. Foto: Daniel Peter

    Das Landgericht Würzburg hat einen der aufsehenerregendsten Mordfälle in Unterfranken in den vergangenen Jahrzehnten verhandelt. Kurz vor Weihnachten 2024 ist jetzt ein 48-Jähriger aus dem Landkreis Main-Spessart wegen Mordes verurteilt worden. Die Richter mussten sich mit der Frage befassen: Kann die Tötung der 13-jährigen Sabine B. in Wiesenfeld (Lkr.  Main-Spessart) im Dezember 1993 nach über 31 Jahren geklärt werden?

    Der Angeklagte war zur Tatzeit 17 Jahre alt. Im Vorfeld des Prozesses verfügte das Landgericht Würzburg deshalb, dass die Verhandlung nichtöffentlich sein soll. Vertreter von fünf Medienhäusern werden jedoch zur Berichterstattung zugelassen. Von September an wurde verhandelt, das Gericht sprach im Dezember 2024 ein Urteil. Ein Überblick, was im Prozess passiert ist:

    9. September 2024, Prozesstag 1: Der Vorsitzende Richter Thomas Schuster eröffnet den Prozess. Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach verliest die Anklage gegen den 47 Jahre alten Angeklagten. Die Beschuldigung lautet: Mord zur Verdeckung einer Sexualstraftat an der damals 13 Jahre alten Sabine B. am 15. Dezember 1993. Der Angeklagte lässt über seine Verteidiger Hanjo Schrepfer und Tilman Michler erklären, er werde keine Angaben zur Sache machen.

    Mordprozess nach 31 Jahren: Am 9. September 2024 begann am Landgericht Würzburg der Prozess um den Tod der 13-jährigen Sabine B. in Wiesenfeld (Lkr. Main-Spessart). 
    Mordprozess nach 31 Jahren: Am 9. September 2024 begann am Landgericht Würzburg der Prozess um den Tod der 13-jährigen Sabine B. in Wiesenfeld (Lkr. Main-Spessart).  Foto: Daniel Peter

     Die Eltern von Sabine B. sind Nebenkläger. Als erste Zeugen schildern sie, dass sich der Angeklagte auffallend neugierig bei Sabines Eltern und Polizisten nach den Ermittlungen erkundigt habe. Der Vater sagt, er habe schon am Abend des 15. Dezember geahnt: "Unsere Sabine sehen wir nicht mehr lebendig." Die ältere Schwester von Sabine B. beschreibt die Auswirkungen der Tat auf die Familie. Sie hoffe, dass mit dem Prozess nun ein Schlussstrich gezogen werden könne

    10. September 2024, Prozesstag 2: Ein ehemaliger Sachbearbeiter der Kripo und ein weiterer Polizist sagen aus. An viele Details erinnern sie sich nach 31 Jahren erst, als ihnen Protokolle alter Vernehmungen vorgelesen werden. Aussagen von Sabines Vater und von einem Polizisten belasten den inzwischen verstorbenen Hofbesitzer. Er sei damals kreidebleich geworden, als die Güllebehälter geöffnet wurden, in dem man das tote Mädchen fand.

    19. und 20. September 2024, Prozesstag 3 und 4: Nach Auskunft von Martina Pfister-Luz, Sprecherin des Landgerichts, werden vier Zeuginnen und Zeugen gehört, die sich teilweise am Tattag auf dem Reiterhof aufgehalten hatten. Es geht um die Frage, wann der Angeklagte am Tatort war oder ob er ein Alibi hat. Er selbst sagt, er sei zur ungefähren Zeit des Mordes zu Hause gewesen. 

    Das Gericht präsentiert ein Polizeivideo der Leichenbergung. Ein Zeuge beschreibt Sabine B. laut Gerichtssprecherin Pfister-Luz als hilfsbereites Mädchen. Als weiteren Zeugen hört die Kammer einen damaligen Arbeitskollegen des Angeklagten. Der frühere Geselle gibt an, dass der Beschuldigte bis zur Tat sehr gute Arbeit geleistet, danach aber nicht mehr viel hinbekommen habe. Ein Zeuge, der 1993 zu den "Schraubern" auf dem Hof gehört hatte, bestätigt im Wesentlichen, dass ihm von einem weiteren Zeugen erzählt worden war, dass dieser den Angeklagten am Tattag auf dem Hof gesehen habe.

    Mit diesem Flugblatt suchte die Polizei im Jahr 2021 in und um Karlstadt bei neuen Ermittlungen nach Informationen im Fall der getöteten Sabine B..  
    Mit diesem Flugblatt suchte die Polizei im Jahr 2021 in und um Karlstadt bei neuen Ermittlungen nach Informationen im Fall der getöteten Sabine B..   Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    23. September 2024, Prozesstag 5: Der ehemalige Arbeitgeber belastet den Angeklagten schwer. Er beschreibt, dass sich das Verhalten seines damaligen Lehrlings nach dem Fund der Leiche auffallend und verdächtig verändert habe. Der damals 17-Jährige soll auf sein Drängen hin auf einer Autofahrt zugegeben haben: "Na gut, dann war ich's halt." Gleich darauf soll er das wieder zurückgenommen haben, es sei "nur im Spaß" gesagt gewesen. Seinen Arbeitgeber soll der Lehrling Tage nach dem Mord zur Scheune gelotst und auf den Zwischenboden des Stalls gebeten haben. "Da soll es passiert sein", habe er erklärt und damit Detailwissen offenbart.

    24. September 2024, Prozesstag 6: Vor Gericht wird die Videoaufnahme von der Vernehmung des Angeklagten 2021 gezeigt, nachdem die Ermittlungen wiederaufgenommen worden waren. Dabei macht er sich gegenüber den staunenden Ermittler weiter verdächtig: Im Unterschied zu neun vorangegangenen Vernehmungen will er plötzlich völlig vergessen haben, was am Tattag passiert ist, wann er am Tatort war und wo er schon am Nachmittag Sabine getroffen hatte. An das Mädchen könne er sich kaum erinnern.    

    26. September 2024, Prozesstag 7: Zwei Nachbarn aus Wiesenfeld sagen im Zeugenstand, der Angeklagte und seine Mutter hätten sich nach der Tat intensiv um ein Alibi für ihn bemüht. Vor Gericht wird ein Verhörvideo von 2021 gezeigt. In der Vernehmung hatte die Kripo den Angeklagten erstmals mit der (angeblich von seiner Schwester geäußerten) Behauptung konfrontiert, er habe dem Hoferben beim Töten und Verstecken von Sabine B. geholfen. 

    27. September 2024, Prozesstag 8: Das Gutachten der Rechtsmedizin weist mit hoher Wahrscheinlichkeit DNA des Angeklagten an Kleidung von Sabine B. nach. Dies weist auf einen sexuellen Übergriff auf die 13-Jährige hin. Außerdem wurde seine DNA an einem Blutfleck am Tatort gefunden. Gericht und Nebenklage appellieren erneut an den 47-Jährigen, sein Schweigen zu brechen. Die Fortsetzung des Verhörvideos von 2021 zeigt die Szene, in der ihn Ermittler mit den DNA-Funden konfrontieren. "Das muss ein Irrtum sein", antwortet er. "Ich war das nicht."

    10. Oktober 2024, Prozesstag 9: Der inzwischen verstorbene Bruder eines ehemaligen Verdächtigen soll angedeutet haben, dass dieser Verdächtige die Tat begangen hat. Eine Zeugenaussage bleibt trotz beharrlicher Nachfragen der Prozessbeteiligten vage. Weitere Zeuginnen und Zeugen werden vernommen und sollen den jetzigen Angeklagten charakterisieren. Der 47-Jährige wird überwiegend als ruhiger, zurückhaltender Typ beschrieben.

    11. Oktober 2024, Prozesstag 10: Im Zentrum des zehnten von 60 geplanten Verhandlungstagen steht ein laut Anklage "mörderischer Schrei". Den will eine Zeugin am Abend jenes 15. Dezember 1993 gehört haben, als Sabine im Stall des Aussiedlerhofes getötet wurde. Der Erkenntniswert eines Gutachtens dazu "ging gegen null" erklären Verteidiger und Nebenklägeranwalt einhellig.

    15. Oktober 2024, Prozesstag 11: Ein totgeglaubter Zeuge erscheint im Gerichtssaal. Das Missverständnis klärt sich auf: Er trage den gleichen Namen wie ein tatsächlich verstorbener Mann aus Wiesenfeld. Der Verhandlungstag endet am Mittwoch abrupt, weil der Beschuldigte über gesundheitliche Beschwerden klagt.

    18. Oktober 2024, Prozesstag 12: Der Angeklagte soll seine Schwester im Jugendalter sexuell missbraucht haben. Der Gesichtssprecherin zufolge sagt die Frau dies im nichtöffentlichen Teil der Verhandlung aus. Die Mutter des Angeklagten gibt ihm im Zeugenstand ein Alibi und sagt, dass sie ihrem Sohn den Mord nicht zutraut.

    24. Oktober 2024, Prozesstag 13: Eine Kriminalbeamtin spricht über eine Rekonstruktion, wie Sabine B. in die Jauchegrube gebracht worden sein könnte und über einen aus Zeugenaussagen erarbeiteten Zeitstrahl. Ein Zeuge, der am Tatabend auf dem Reiterhof war, kann sich an die zeitlichen Abläufe nicht mehr genau erinnern. Mehrere Zeugen und Zeuginnen aus dem weiteren Umfeld bestätigen ihre vorhergegangenen Aussagen, tun sich mit Details aus der Erinnerung aber schwer.

    25. Oktober 2024, Prozesstag 14: Ein Zeuge soll am Tatabend zwischen 19 und 19.20 Uhr mit dem Angeklagten telefoniert haben, erinnert sich vor Gericht aber an gar nichts mehr in diesem Zusammenhang. Die ehemalige Chefin von Sabines Mutter erklärt, dass Sabine oft bei ihnen Mittag gegessen habe, am Tattag allerdings nicht vorbeigekommen sei.

    7. November 2024, Prozesstag 15: Das Gericht erteilt einen rechtlichen Hinweis. "Wir gehen im Moment nicht von einer gemeinschaftlichen Tötungshandlung aus", sagt der Vorsitzende Richter. Mehrere Mordmerkmale seien denkbar, die über das hinausgehen, was die Staatsanwaltschaft in der Anklage festgehalten hat. Bislang galt nicht als ausgeschlossen, dass mehrere Tatverdächtige an der Tötung des Mädchens beteiligt gewesen sein könnten.

    Schwierige Wahrheitssuche unter Ausschluss der Öffentlichkeit: Im Prozess um den Tod von Sabine B. 1993 in Wiesenfeld hat das Landgericht Würzburg inzwischen zahlreiche Zeuginnen und Zeugen befragt.
    Schwierige Wahrheitssuche unter Ausschluss der Öffentlichkeit: Im Prozess um den Tod von Sabine B. 1993 in Wiesenfeld hat das Landgericht Würzburg inzwischen zahlreiche Zeuginnen und Zeugen befragt. Foto: Thomas Obermeier

    8. November 2024, Prozesstag 16: Ein Zeuge berichtet von der Suchaktion nach Sabine B. im Dezember 1993. Er erinnert sich, dass der Angeklagte auch dabei gewesen sei. Bereits Mitte Oktober hatte eine Schwester des Angeklagten ausgesagt und dabei Missbrauchsvorwürfe gegen ihren Bruder erhoben, die sie auch schon im Ermittlungsverfahren geäußert haben soll. Nun sagte ihr Ex-Mann aus, dass sie auch ihm von mehrfachem Missbrauch durch den Angeklagten erzählt habe.

    14. November 2024, Prozesstag 17: Die Lebensgefährtin des Angeklagten ist von der Unschuld des Mannes überzeugt. "Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er mit der Sache was zu tun hat. Sie haben den Falschen auf der Anklagebank sitzen", sagt sie im Zeugenstand zu den Richtern. Über die DNA-Funde am Tatort habe sie mit ihm gesprochen: "Er weiß nicht, wie die DNA an den Tatort gekommen sein könnte."

    15. November 2024, Prozesstag 18: Zwei ehemalige Polizeibeamte blicken auf den Fund der Leiche zurück. "Ich war anschließend 23 Jahre in der Mordkommission, aber das vergesse ich wirklich nicht", sagt einer der beiden. Übereinstimmend berichten sie, dass eine von ihnen begonnene Vernehmung des Hofbesitzers durch Vorgesetzte abrupt beendet wurde.

    19. November 2024, Prozesstag 19: Der Bruder des Angeklagten glaubt sich daran zu erinnern, dass Sabine B. am Tag der Tat in der Werkstatt auf dem Reiterhof war und beim Verräumen von Autoreifen half. Sie habe weiße Handschuhe des Angeklagten getragen. Unter Ausschluss von Öffentlichkeit und Presse äußert sich auch der Angeklagte zu seinem Werdegang.

    28. November 2024, Prozesstag 20: Die letzten Zeugen sagen aus. Eine Jugendfreundin des Angeklagten erinnert sich, dass sie mit ihm in einem Bett schlief, als er mitten in der Nacht anfing zu sprechen. "Ich habe etwas Schlimmes getan", soll er ihrer Erinnerung nach gesagt haben. Auch die Missbrauchsvorwürfe der Schwester gegen den Angeklagten sind noch einmal Thema. Am Ende des Verhandlungstages schließt Richter Thomas Schuster die Beweisaufnahme.

    5. Dezember 2024, Prozesstag 21: Der gewaltsame Tod der 13-jährigen Sabine war nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Mord. Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach plädiert nach Jugendstrafrecht für eine Freiheitsstrafe von neun Jahren für den damals 17 Jahre alten Angeklagten. Auch der Anwalt der Schwester des Opfers, die als Nebenklägerin auftritt, plädiert auf Mord.

    Kurz vor den Plädoyers im Prozess um den Mord an Sabine B. aus Wiesenfeld: Verteidiger Hans-Jochen Schrepfer (links) und Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach am Landgericht Würzburg im Gespräch.
    Kurz vor den Plädoyers im Prozess um den Mord an Sabine B. aus Wiesenfeld: Verteidiger Hans-Jochen Schrepfer (links) und Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach am Landgericht Würzburg im Gespräch. Foto: Thomas Obermeier

    6. Dezember 2024, Prozesstag 22: Der Anwalt der Eltern des Opfers, die als Nebenkläger auftreten, plädiert auf Mord und fordert nach Jugendstrafrecht eine Freiheitsstrafe von neun Jahren. Nach Ansicht der Verteidigung ist ihr angeklagter Mandant nicht für einen Mord verantwortlich und daher freizusprechen. Die Tat könne nicht zweifelsfrei bewiesen werden. Der Angeklagte äußerte sich im gesamten Prozess nicht zu der Tat oder einer etwaigen Beteiligung daran.

    20. Dezember 2024, Prozesstag 23: Das Landgericht verurteilt den 48-Jährigen, der zur Tatzeit 17 Jahre alt war, nach Jugendstrafrecht zu sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe. "Eine andere Person kommt für die Tötung von Sabine nicht in Betracht", sagt der Vorsitzende Richter Thomas Schuster in seiner Urteilsbegründung. Die Entscheidung ist zu diesem Zeitpunkt nicht rechtskräftig. Die Verteidigung will das Mordurteil vom Bundesgerichtshof prüfen lassen.

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