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Das Christkind geht auf Tour

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Das Christkind geht auf Tour

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    Schwelgt gern in Erinnerungen: In ihren Fotoalben hat Heidrun Pfaff viele Bilder früherer Christkind-Gruppen.
    Schwelgt gern in Erinnerungen: In ihren Fotoalben hat Heidrun Pfaff viele Bilder früherer Christkind-Gruppen. Foto: Foto: Sarah Pfister

    Wart ihr auch alle brav?“, fragt der Weihnachtsmann durch seinen langen weißen Bart. Der rote Mantel schwenkt bedächtig hin und her, als er sich im Raum umsieht. „Dann lass ich euch mal das Christkind herein!“ Die Augen aller richten sich gebannt auf die Wohnzimmertür, die sich langsam öffnet. Mit schwerfälligen Schritten betritt der Esel den Raum. Auf seinem Rücken sitzt andächtig ein kleines Mädchen mit lockigem Haar und weißem Gewand: das Christkind.

    „Meine Lieben, seid gegrüßet / die ihr hier versammelt seid / Christkindlein es kam hernieder / wandelt auf der Erde heut / oh, es bringet große Freude / in ein kleines Kinderherz / und belohnt mit Segen heute / lässt vergessen Weh und Schmerz.“

    Der Hirtenjunge stimmt auf der Flöte ein Weihnachtslied an, und die anderen Hirten bringen den Kindern die Geschenke herein. Gemeinsam singen sie „Stille Nacht, Heilige Nacht“. Dann zieht die Gruppe weiter.

    Im Stadtbus, der die Christkind-Gruppe von Haus zu Haus fährt, erkennt man die wahre Identität hinter den weihnachtlichen Kostümen. Hinter den braunen Locken des Christkinds verbirgt sich die achtjährige Maya Klodewig. Zum allerersten Mal ist sie das Gambacher Christkind und mächtig stolz darauf. Neben ihr sitzt der Engel, gespielt von Anna-Lena Haas. Sie ist schon zum vierten Mal bei der Christkind-Gruppe dabei, schon dreimal war sie selbst das Christkind.

    Unter dem großen roten Weihnachtsmannkostüm, das übrigens schon 33 Jahre alt ist, steckt Stefan Weiglein. Die drei Hirten sitzen ganz hinten im Stadtbus: die beiden Brüder Felix und Max Simon und Daniel Rosen. Letzterer spielt seit 1991 bei der Christkind Gruppe mit: mal als junger Hirte, Weihnachtsmann und auch schon im Esel. In diesem Jahr ist er der alte Hirte, der die Geschenke bringen darf.

    „Diese Tradition war einfach zu schön, um sie nicht weiterzuführen.“

    Friedbert Haas, Initiator der Christkind-Aktion

    Und dann wäre da natürlich noch der Esel, der keineswegs ein echter Vierbeiner ist. Um ihn weben sich die sonderbarsten Geschichten: Als er einmal durch den Schnee in ein Wohnzimmer trat, eine Wasserpfütze hinter sich her ziehend, wurde er des Wasserlassens im heimeligen Wohnzimmer beschuldigt. Zum Schutz vor einem erneuten Malheur hielt ihm in der nächsten Familie ein Kind vorsichtshalber schon mal eine Schüssel an das Hinterteil. „Besonders witzig ist es, wenn die Kinder ihm Heu unter die Schnauze halten“, erinnert sich der Engel Anna-Lena Haas. Unter dem grauen Fellkostüm befinden sich dieses Jahr Elias Huisl und Josef Knoblach. Der eine ist das Vorder-, der andere das Hinterteil. Keine ganz leichte Aufgabe also, zu zweit das Christkind auf dem Rücken auszubalancieren. Dennoch ist und bleibt der Esel die beliebteste Figur bei den Kindern.

    Ungefähr seit dem Jahr 1900 zieht diese weihnachtliche Truppe durch Gambach – früher waren es immer zwei Gruppen. Die Schauspieler unter den Kostümen änderten sich jedes Jahr. Die Figuren, Kostüme und selbst der Text blieben immer gleich. Die Tradition kam einst von Sachsen nach Frankfurt, und von dort machte sie ihren Weg in das damals noch eigenständige Gambach.

    Seitdem verging kein Jahr, in dem das Christkind und sein Gefolge nicht die Runde durch das beschauliche Örtchen machten. Selbst in Kriegszeiten gingen die Gruppen von Haus zu Haus. Bis der Zweite Weltkrieg beendet war, kniete der Hirte damals vor dem Christkind nieder und bat:

    „Christkindlein einst in der Krippe / hast Erlösung uns gebracht / schenke uns auch jetzt den Frieden / beendige die Völkerschlacht.“

    Jahr für Jahr gehörten die beiden Christkind-Gruppen zum kulturellen Leben in Gambach. Bis auf die beiden letzten Jahre – da machte es Pause, gezwungenermaßen. Die Tradition war ein wenig eingeschlafen, für die aufwendige Vorbereitung und Durchführung fand sich niemand mehr. Doch nach der zweijährigen Durststrecke konnte der Gambacher Friedbert Haas den langsamen Verfall der Tradition nicht mehr ertragen: „Die Christkind-Gruppe war früher oft bei uns an Weihnachten. Diese Tradition war einfach zu schön, um sie nicht weiterzuführen.“

    „Ich hoffe, dass wir bis nächstes Jahr wieder zwei Gruppen haben werden, die noch mehr Familien erfreuen können.“

    Heidrun Pfaff, „Christkind-Mutter“

    Aber um die Tradition nicht sterben zu lassen, brauchte er jemanden, der sich im Christkind-Geschäft auskennt – und das war Heidrun Pfaff. Viele Jahre war sie die Organisatorin der Christkind-Gruppen. Ihre Karriere als „Christkind-Mutter“ begann eher zufällig. „Die Damen, die das vor mir gemacht haben, haben zu mir einfach gesagt ,Heidrun, das machst du jetzt weiter‘, und seitdem hat sich die Christkind-Vorbereitung in unserem Haus abgespielt: Überall lagen Kostüme, die ausgebessert wurden, im Wohnzimmer probten die beiden Christkind-Gruppen ihren Text – da war ganz schön was los“, erzählt Heidrun Pfaff.

    In den alten Fotobüchern hat Heidrun Pfaff viele Fotografien von früheren Auftritten gesammelt und jeden einzelnen Namen in einem eigenen Ordner festgehalten. Die Gambacherin schwelgt gerne in Christkind-Erinnerungen – blickt aber genauso gern nach vorne: „Ich freue mich auf den diesjährigen 24. Dezember, wenn wir mit der ganzen Gruppe wieder in Gambach herumziehen und hoffe, dass wir bis nächstes Jahr wieder zwei Gruppen haben werden, die noch mehr Familien erfreuen können.“ Unterstützung bekommen Pfaff und Haas in diesem Jahr außerdem von Claudia Klodewig, Petra Simon und Elfi Baier. Die Damen helfen bei den Proben und sorgen am Weihnachtstag für eine gut aussehende Christkind-Gruppe.

    An diesem Heiligabend beginnt die Truppe ihren Rundgang nachmittags um 14 Uhr. Bis ungefähr halb acht Uhr abends werden sie unterwegs sein – und das alles ehrenamtlich, nur um Freude am Weihnachtstag zu verbreiten. „Es ist doch schön, den anderen Kindern was Gutes zu tun!“, sagt das Gambacher Christkind Maya.

    „Das Staunen in den Kindergesichtern, aber auch die Freude der älteren Generation mitzuerleben, das war immer das Schönste bei unseren Touren“, erinnert sich Heidrun Pfaff. Und wenn an Heiligabend sämtliche Geschenke in Gambach verteilt sind, können Christkind, Engel, Hirten, Esel und Weihnachtsmann auch wieder zu ihren Familien und endlich ihre eigenen Geschenke auspacken – darauf haben sie ja lange genug gewartet.

    Die Karlstadter Lokalredaktion der Main-Post wünscht allen Leserinnen und Lesern frohe Weihnachten!

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