Karlstadt/Veitshöchheim

Nach "Fastnacht in Franken": Matthias Walz über Political Correctness, Winnetou und die Grenzen der Narrenfreiheit

Bei "Fastnacht in Franken" war die Empörung in der Winnetou-Debatte sein Thema. Was sagt der Kabarettist aus Karlstadt über Narrenfreiheit, Altherrenwitze und Kostüme?
Matthias Walz aus Karlstadt bei der Generalprobe der Kultsitzung 'Fastnacht in Franken' in den Mainfrankensälen in Veitshöchheim.
Foto: Patty Varasano | Matthias Walz aus Karlstadt bei der Generalprobe der Kultsitzung "Fastnacht in Franken" in den Mainfrankensälen in Veitshöchheim.

In der Fernsehsendung "Fastnacht in Franken" kam der Karlstadter Kabarettist Matthias Walz verkleidet als Old Shatterhand mit einem Schaukelpferd in ein Bühnenbild mit Marterpfahl und Wigwam geritten. Der Hintergrund seines Auftritts war schnell klar: die Winnetou-Debatte im vergangenen Sommer. 

Der 46-jährige Klavierspieler amüsierte sich darüber, wie sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und sein Stellvertreter Hubert Aiwanger empörten. Der Verlag "Ravensburger" hatte ein Winnetou-Kinderbuch aus dem Programm genommen, nachdem ihm vorgeworfen wurde, damit Vorurteile und Stereotype zu bedienen. Was folgte, war ein Musterbeispiel für gegenwärtige Debatten um "Political Correctness" und "Cancel Culture".

Im Gespräch berichtet Matthias Walz, wie sich der Zeitgeist auf den Humor auf Faschingsbühnen auswirkt, wo für ihn die Grenzen der Narrenfreiheit liegen - und ob er selbst Angst hat, Opfer eines  Shitstorms zu werden.

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Frage: Politische Korrektheit, diskriminierungsfreie Sprache - wie sensibel wird damit Ihrer Erfahrung nach auf Faschingsbühnen umgegangen? 

Matthias Walz: Es ist schon manchmal erschreckend, welche sexistischen und rassistische Altherrenwitze zum Teil immer noch vorgetragen werden. Aber ich möchte den Fasching nicht schlechtmachen. Das hat man auf anderen Comedy-Bühnen genauso. Gerade auf kleinen Bühnen geht es teilweise derber zu. Neulich habe ich einen Sketch gesehen mit einem Frauenbild von 1969. Da hat sich einer über seine Ehefrau lustig gemacht, fürchterlich. Aber 99 Prozent der Frauen im Publikum haben sich weggeschmissen. Was soll man dazu sagen? Trotzdem würde ich das nicht machen. Denn damit stützte ich ja ein althergebrachtes Klischee. Das will ich nicht, auch wenn es alle lustig finden.

Wird unter Kabarettisten viel darüber gesprochen, welche Witze noch zeitgemäß sind? Und wie wird das bei Fastnacht in Franken gehandhabt?

Walz: Es wird mit Sicherheit mehr darauf geguckt. Der Zeitgeist ändert sich, das kriegt jeder mit. Die Diskussion gibt es auf jeden Fall auch im Umfeld der Öffentlich-Rechtlichen. Für Fastnacht in Franken trifft sich das Ensemble mehrfach im Jahr. Darüber wird viel gesprochen – mit unterschiedlichen Meinungen. Es gibt auch eine redaktionelle Prüfung. Aber in Veitshöchheim ist das wenig bis gar kein Problem.

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Wie sehen denn Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen aus, die sich durch politische Korrektheit eingeschränkt fühlen?

Walz: Es fehlt oft an der Einsicht, dass das eine gute Entwicklung ist. Wir sprechen hier von Feinheiten. Ich bin mit niemandem im Gespräch, der Frauenhasser oder Rassist ist. Es ist oft eher unbedacht. Normalerweise sind es liebe Menschen, die keinem etwas Böses wollen. Es wird nur nicht verstanden, dass die Deutungshoheit nicht bei mir als Kabarettist liegt, sondern bei den Menschen, bei denen meine Worte ankommen. Der Empfänger fühlt sich von Witzen verletzt oder nicht. Es hilft da nicht zu sagen, du hast dich davon nicht verletzt zu fühlen. Das ist einfach so, deshalb lasse ich es halt.

Matthias Walz im Old-Shatterhand-Outfit: Hier bei seinem Auftritt bei der Fastnachtsgala der Tanzsportgarde Veitshöchheim in diesem Februar.
Foto: Dieter Gürz | Matthias Walz im Old-Shatterhand-Outfit: Hier bei seinem Auftritt bei der Fastnachtsgala der Tanzsportgarde Veitshöchheim in diesem Februar.
An Fasching gilt ja bekanntlich Narrenfreiheit. Wo liegen denn die Grenzen des Humors? 

Walz: Es gilt in Deutschland erstmal die künstlerische Freiheit und das finde ich auch wichtig. Trotzdem denke ich da viel drüber nach und führe viele Diskussionen. Ich versuche auch verzweifelt, für mich die genaue Grenze zu finden. Das Problem ist so vielschichtig. Wenn eine Gruppe schon viel Schlimmes erlebt hat in der Geschichte, zum Beispiel auf Grund ihrer Hautfarbe oder ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert wurde, dann kann ich nicht mehr die Deutungshoheit haben. Denn ich bin niemals angepöbelt oder verdroschen worden in meiner Kindheit, weil ich zu einer Minderheit gehöre. Also weiß ich nicht, wie sich das anfühlt.

Denken Sie beim Schreiben Ihres Programms manchmal: Das sage ich besser nicht, das könnte einen Shitstorm nach sich ziehen? 

Walz: Ich habe überhaupt keine Angst vor einem Shitstorm, ich kann zu allem stehen, was ich sage. Ich vermute aber stark, dass es bei manchen eine Rolle spielt, dass sie dies oder jenes eigentlich gerne sagen würden, aber es nicht tun, weil sie denken, das darf man nicht mehr.

Bei Fastnacht in Franken waren Sie als Old Shatterhand verkleidet und haben sich über die Reaktionen von Markus Söder und Hubert Aiwanger auf die Winnetou-Debatte lustig gemacht. Was hat sie daran geärgert?

Walz: Es wird gesagt, manche Diskussionen um politische Korrektheit schießen übers Ziel hinaus. Aber eigentlich schießt die Gegenreaktion oft übers Ziel hinaus. Den Winnetou-Shitstorm hat größtenteils erst die Bildzeitung erzeugt. In Wahrheit war es zum Beispiel so, dass die Lizenzen für die Filme schon vor zwei Jahren ausgelaufen waren und sie die ARD deswegen nicht mehr zeigen konnte. Daraus wird gemacht, dass der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk vor der woken Cancelculture in die Knie gegangen ist. Markus Söder twittert das dann sofort weiter und liest nicht mal den Inhalt der Artikel. Dabei wollte niemand die Helden unserer Kindheit verbieten.

Es ist immer noch beliebt, sich an Fasching als amerikanischer Ureinwohner zu verkleiden. In den USA wird das weitaus kritischer gesehen. Woran liegt das aus Ihrer Sicht? 

Walz: Es ist viel Unwissen dabei. Vielen ist nicht klar, was den amerikanischen Ureinwohnern widerfahren ist. Es reagieren daher viele mit Unverständnis, wenn die jetzige indigene Bevölkerung sagt, dass sie das nicht lustig findet. Es war ja nie böse gemeint, sich als Indianer zu verkleiden. Dabei wäre es aus gutem Grund undenkbar, das gleiche in Deutschland mit jüdischen Klischees zu machen. 

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Welche Rolle spielt es für Sie, welchen gesellschaftlichen Status das Ziel von Spott genießt? 

Walz: Das ist ein großes Kriterium für mich. Über privilegierte Gruppen kann man sich ganz anders lustig machen als über Gruppen, die viel Schlimmes erfahren haben. Wenn jemand wie Herr Aiwanger sagen würde, er fühlt sich von meinen Ausführungen verletzt, würde ich die Deutungshoheit für mich in Anspruch nehmen: Wer sich als stellvertretender Ministerpräsident in die Öffentlichkeit stellt und Vegetarier und Studenten anpöbelt, kann sich nicht auf Minderheitenschutz berufen. Aber wo genau ist die Grenze? Die meisten wissen, was gar nicht geht. Dazwischen ist eine riesige Grauzone, wo es echt schwierig ist.

 
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  • H. H.

    Schön wäre es, wenn sich auch Kaberettisti/inn/en wie Bruno Jonas, Monika Gruber oder Dieter Nuhr solche Gedanken machen würden.
    Aber sie sind ja, wie man so schön sagt, "beratungsresistent". Stammtisch, bzw. telegram-Humor kommt besser an und bringt mehr Klicks bzw. Zuschauer/Follower.
    Aber deswegen geht jetzt z.B. die Münchner Lach- und Schieß vor die Hunde.

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  • G. K.

    Politisch korrekte Comedy und/oder Satire …

    So stelle ich mir die Hölle vor!

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  • Veraltete Benutzerkennung

    Zitat Herr Walz: "Neulich habe ich einen Sketch gesehen mit einem Frauenbild von 1969. Da hat sich einer über seine Ehefrau lustig gemacht, fürchterlich. Aber 99 Prozent der Frauen im Publikum haben sich weggeschmissen."
    Da scheint dieser Kollege aber einen noch bestehenden Nerv getroffen zu haben, wenn er mit einem Frauenbild von 1969 (Woodstock?) 99% der Angesprochenen zum Lachen bringt.

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  • L. W.

    @ szyslak

    Woodstock ist definitiv nicht repräsentativ für das Frauenbild von 1969.

    Da waren ganz andere Sichtweisen auf die Rolle der Frau üblich.

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  • R. B.

    Humor heißt jetzt Moral, zumindest wenn es nach einer kleinen Minderheit geht, welche uns seit Jahren die Benimmregeln nicht nur im eigenen Land, sondern auch im Ausland oktroyieren. Kein Indianer auf der Welt fühlt sich diskriminiert, weil junge Buben an Fasching als eben solcher verkleidet ihren Spaß haben. Linksgrüne Bessermenschen haben entschieden, was kulturelle Aneignung ist und was nicht. Und eine große schweigende Mehrheit lässt diesen Schwachsinn über sich ergehen, um nicht in die rassistische Ecke abgeschoben zu werden. Denn genau dieses Druckmittel wird unterschwellig von jenen Gruppierungen seit Jahren verwendet, um Kritik und andere Meinungen mundtot zu machen. Das Lied "Layla" (ich finde es überaus dämlich) zeigt, dass 95 % der Menschen mit diesem Lied kein Problem haben, aber 5 % bestimmen die Gangart.

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  • D. A.

    Ihre Art und Weise zu "argumentieren" spricht für sich.
    Eine Frage hätte jedoch noch: Mit welchen Ureinwohnern Amerikas haben Sie sich bisher ausgetauscht, sodass Sie zu Ihrer Erkenntnis gekommen sind?

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  • H. H.

    Ich habe das Glück gehabt, mich mit einer amerikanischen Ureinwohnerin auszutauschen. Sie fühlte sich durchaus diskriminiert, wenn junge Buben an Fasching als eben solche verkleidet ihren Spaß haben. Nicht nur Linksgrüne.

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  • G. K.

    Dann lassen Sie uns den Gedanken doch mal bitte konsequent weiterdenken …

    Das Problem ist nicht nur auf nordamerikanische Ureinwohner beschränkt. Wann immer jemand aus einer „definierbaren“ Personengruppe fiktiv dargestellt wird, kann sich jemand diskriminiert fühlen – und es reicht unter Umständen schon eine abstrakte Beschreibung (siehe „Layla“ …).

    Wo zieht man die Grenze? Wessen Gefühl der Diskriminierung erkennt man an – und wessen nicht? Wer will das festlegen – es geht um Wahrnehmung, Befindlichkeiten, Emotionen … das ist höchst individuell.

    In der Konsequenz muss man dann auf ALLE Rücksicht nehmen, die sich diskriminiert fühlen KÖNNTEN – und das wäre das Ende des Schauspiels, der Literatur, der Musik, des Kabaretts, usw usw ...

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  • H. H.

    Es reicht, als Grenze den guten Geschmack anzusetzen. Hetzerische oder diskriminierende Beiträge haben auch im Fasching nichts zu suchen - und wenn dies jemand aus Versehen unterlaufen ist, sollte er sich bessern..

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  • G. K.

    Zitat haas-hyr: „Es reicht, als Grenze den guten Geschmack anzusetzen.“

    Und wo soll die Grenze bitte verlaufen? Wer soll die bitte definieren?

    Der Humor des einen ist der Schmerz des anderen …

    Bitte verstehen Sie mich nicht falsch – guter Geschmack ist eine feine Sache. Aber weil dem (guten wie schlechten) Geschmack eben eine höchst individuelle Auffassung zu Grunde liegt, taugt das nicht als allgemeingültiges Kriterium …

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  • G. K.

    Na, so richtig “verzweifelt” (siehe Titel) scheint Herr Walz auf seiner grenzgängerischen Suche ja nicht zu sein …

    Ich war schon ein wenig überrascht beim Lesen … Ein Narr, der politische Korrektheit als (Zitat) „eine gute Entwicklung" ansieht?

    Aber dann wurde klar, dass er das über seine „Zielgruppe“ relativiert – es gibt für ihn legitime und weniger legitime „Opfer“. Interessante Haltung für einen selbsterklärten Befürworter politischer Korrektheit … !?

    Zitat: „‘Der Empfänger fühlt sich [...] verletzt oder nicht. Es hilft da nicht zu sagen, du hast dich davon nicht verletzt zu fühlen. Das ist einfach so, deshalb lasse ich es halt.‘

    Ich bin mir sicher, das haben an diesem Abend in diesem Saal nicht alle so gesehen … 😉

    Ich persönlich halte politische Korrektheit für den falschen Weg – denn es ist ein direkter Angriff auf die Freiheit der Sprache auf der Grundlage von individuellen Befindlichkeiten und Wahrnehmungen, die sich nicht objektivieren lassen.

    Das darf keine Norm sein!

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