Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Rhön-Grabfeld
Icon Pfeil nach unten
Bad Neustadt
Icon Pfeil nach unten

MEININGEN: Die Fluchten der verlorenen Kinder

MEININGEN

Die Fluchten der verlorenen Kinder

    • |
    • |
    Szene aus dem Stück „Asphalt Tribe“, das derzeit in den Kammerspielen des Meininger Theaters gezeigt wird: Julia Funk als Rainbow und Thea Rasche als Maybe.
    Szene aus dem Stück „Asphalt Tribe“, das derzeit in den Kammerspielen des Meininger Theaters gezeigt wird: Julia Funk als Rainbow und Thea Rasche als Maybe. Foto: FOTO Meininger Theater

    Egal, ob man den moralischen Unterton Rhues mag oder nicht: Geschichten aus dem Alltag Jugendlicher sind wichtiger denn je. Geschichten über den Verlust an Orientierung, Geschichten über große und kleine Fluchten, über Träume, Hoffnungen und Verzweiflung und natürlich auch Geschichten, die glaubwürdig eine Tür öffnen, die aus dem inneren und/oder äußeren Chaos führt.

    Die erzählerische Kontinuität des Romans wird in der Theaterbearbeitung zugunsten vieler kürzerer Einzelszenen aufgelöst. Das irritiert anfangs. Unterbrochen werden diese Passagen durch die Großprojektion einer statischen Filmszene aus dem Berliner Straßenkindermilieu. Die Botschaft ist klar: Das Problem ist längst nicht mehr eins, das in den Grauzonen fremder Megacitys existiert, sondern auch in deutschen Großstädten.

    Konzentration ist gefordert

    Die harten Szenenschnitte behindern zwar eine dramatische Entwicklung (im Buch erzählt das Mädchen Maybe die Geschichte), helfen aber den Laiendarstellern, ihre schauspielerischen Talente gezielter einzusetzen und sich dabei nicht zu verausgaben. Außerdem bleiben die jugendlichen Zuschauer durch diesen Handlungsrhythmus aufmerksamer. So ist denn während der eineinhalbstündigen Spielzeit – ohne Pause – eine ungewöhnliche Konzentration beim Schülerpublikum zu beobachten.

    Die Geschichte handelt vom Alltag einer Gruppe von Straßenkindern, die sich selbst „Asphalt Tribe“ nennen: Maybe (Thea Rasche), Tears (Maria Meier), die Neue im Stamm, Rainbow (Julia Funk), 2Moro (Claudia Hildenbrand), Maggot (Max Eisenacher), Jewel (Thomas Weisheitel), OG (Max Müller) und Country Club (Armin Peterka). Es ist Winter. Alle sind verwahrlost, hungern, frieren gottserbärmlich und jeder ist auf seine Weise überdreht, exzentrisch, tagträumerisch. Einige sind drogensüchtig oder alkoholabhängig. Vier aus der Gruppe werden im Lauf der Geschichte sterben. Trotzdem wird es am Ende einen zarten Hoffnungsschimmer geben, zumindest für Maybe und Tears. Nicht zuerst wegen der offiziellen Helfer (Marie Bauer und Christin Dietzel), sondern wegen Anthony (Maik Schaarschmidt), einem Bibliothekar, der Maybe – eine seltene Erfahrung – ohne Vorurteile begegnet.

    Die Bühnenhandlung rafft das Geschehen sehr stark. Die Persönlichkeiten hinter den schrägen Typen werden nur angedeutet. Aber abgesehen von einigen sichtbar künstlichen Erregungszuständen der Darsteller (bei denen man die Regieanweisung „erregt“ mitzulesen glaubt), spielen die jungen Leute hoch motiviert und erstaunlich glaubwürdig. Glaubwürdig in dem Sinn, als sie vor allem Charaktertypen mimen und weniger junge Menschen mit fassbaren Biografien.

    Kehrseiten der Normalität

    Zu hoffen ist, dass möglichst viele (nicht nur) junge Leute in die Kammerspiele gelockt werden. Nicht nur, um sich mit einem Leben zu konfrontieren, das zu den Kehrseiten der Normalität in dieser Gesellschaft gehört, sondern um das Engagement und die Spielfreude der jungen Theatertruppe zu bewundern, die schon mit ihrer erfolgreichen Inszenierung von „Raus aus ml“ bewies, was in ihr steckt.

    Nächste Vorstellungen in den Kammerspielen am 19. und 20. Juni, jeweils ab 18 Uhr. Karten gibt es an der Theaterkasse unter Tel. (0 36 93) 451 222 oder 451 137. www.das-meininger-theater.de. Bis 26. Juni ist im Meininger Kunsthaus NEKST außerdem die Ausstellung „Kennen wir uns? – Straßenkinder fotografieren ihre Welt“ zu sehen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden