Viele Weihnachtslieder sind derzeit im Radio zu hören. Darunter auch "Driving home for christmas" und "Weihnachten bin ich zu Haus". Diese beiden bekannten Stücke von Chris Rea und Roy Black sowie noch einige mehr verdeutlichen, dass Weihnachten ein Fest der Familie ist. Zusammen mit den Angehörigen die Feiertage zu verbringen, ist jedoch nicht allen Menschen vergönnt.
So können auch Preethi und Joseph Lawrence nicht ihre Familie im fernen Indien besuchen. Trotzdem freuen sie sich zusammen mit ihrer kleinen Tochter Olivia auf Weihnachten. Das Christfest werden sie vor allem mit Freunden feiern. Eine wichtige Rolle wird in dieser Zeit auch die Kirche einnehmen.
Preethi Lawrence kam 2018 von Indien nach Deutschland und ihr Mann etwa zwei Jahre später. Wie die meisten ihrer indischen Mitbürgerinnen arbeitet sie als Krankenschwester im Rhön-Klinikum, in der Kardiologie. Ihr Mann ist Elektriker von Beruf und bei der Firma BSH in Bad Königshofen tätig. Mit ihrer Tochter Olivia wohnen sie in Mühlbach. Die Anderthalbjährige besucht den dortigen Kindergarten.
Preethi und Joseph Lawrence: "Wir fühlen uns wohl hier, aber unsere Familie vermissen wir schon."
Die Eltern von Preethi Lawrence sind früh gestorben, ihre Schwester lebt in Indien, ebenso wie die Eltern von Joseph Lawrence sowie zahlreiche weitere Verwandte. Gerade an Weihnachten von ihnen getrennt zu sein, "ist sehr schwer für uns", sagt das Ehepaar. "Wir fühlen uns wohl hier, aber unsere Familie vermissen wir schon."

Die beiden telefonieren jeden Tag per Videoanruf mit ihrer Familie in Indien. Die moderne Technik macht es möglich, dass man sich während des Telefonats sehen kann. An Weihnachten werden die Gespräche sicher etwas länger ausfallen.
Die Katholiken in Indien und Deutschland feiern Weihnachten mit leichten Abweichungen
Die Familie Lawrence stammt aus dem südindischen Bundesstaat Kerala, wo zahlreiche Christen leben. Sie selbst sind katholisch und so wie sie in ihrer Heimat mit der Kirche eng verbunden waren, so sind sie es auch hier. Allein durch den gemeinsamen Glauben wird in Kerala und hier in Bad Neustadt Weihnachten sehr ähnlich gefeiert. Jedoch durchaus mit einigen Abweichungen.
Mit einem wesentlichen Unterschied könnten sich wahrscheinlich zahlreiche deutsche Menschen nur schwer abfinden. Dieser betrifft die Weihnachtsgeschenke. Im katholischen Teil Indiens wird bei weitem nicht so groß beschenkt wie hier.
Im Grunde genommen bekommt jeder nur ein Geschenk. Die Gemeindemitglieder beschenken sich gegenseitig. Dabei wird jedem ein Name zugeteilt, dem man dann an Heiligabend das Geschenk überreicht. Diesen Brauch werden die indischen Mitbürger in Mühlbach - das sind in etwa zehn bis zwölf Familien - auch hier fortsetzen.
Ansonsten schenken sich selbst die Ehepartner untereinander nichts? "Nein", so Preethi Lawrence schmunzelnd, "außer, dass mein Mann meinen Namen erhalten hat". Für ihn wird es jedoch etwas üppiger ausfallen. Der 34-Jährige hat am 27. Dezember Geburtstag.
Kein Adventskalender, aber ein tägliches Geschenk für die Kinder im Gottesdienst
Einen Adventskalender kennt man in Indien ebenfalls nicht, aber etwas sehr Ähnliches. Ab dem 1. Dezember besucht die Familie jeden Morgen bis zum Heiligen Abend mit den Kindern die Kirche. Dabei erhalten die Kinder vom Pfarrer ein kleines Geschenk, ein Buch, Süßigkeiten oder Heiligenbilder. "Bei uns ist es ganz normal, dass fast jeden Tag Gottesdienst gefeiert wird", erzählt Preethi Lawrence. Und jedes Mal, vor allem am Sonntag, sei die Kirche voll.

Auch der Adventskranz ist in Indien unbekannt. Dennoch hängt bei Preethi und Joseph Lawrence in ihrem Wohnzimmer einer von der Decke. Der geschmückte Weihnachtsbaum ist hingegen in Indien ebenfalls Brauch. Einen großen Stellenwert nimmt dort die Weihnachtskrippe ein. "Jedes Haus hat eine Krippe, die sehr aufwendig und zum Großteil mit Materialien aus der Natur gestaltet wird", erzählt die ebenfalls 34-Jährige. Bislang haben die Lawrences in Mühlbach noch keine Krippe. "Wir sind noch auf der Suche."
An Weihnachten herrschen in Indien zwischen 28 und 30 Grad
In Indien, wo um die Weihnachtszeit mit 28 bis 30 Grad vergleichsweise angenehme Temperaturen herrschen, besuchten Preethi und Joseph Lawrence an Heiligabend immer zusammen mit der ganzen Familie die Christmette um 22 Uhr. In Mühlbach soll dieses Jahr ebenfalls in der Kirche ein Gottesdienst stattfinden, den Pfarrvikar Johnson Thottathil in indischer Sprache hält.
Der Gottesdienst an Heiligabend beginnt traditionell damit, dass alle Besucherinnen und Besucher mit einer Kerze außen um die Kirche herum laufen. Ein wichtiger Bestandteil der Christmette ist auch in Indien das Verlesen der Weihnachtsgeschichte. Ist das letzte Wort der Weihnachtsgeschichte verklungen, wird draußen vor der Kirche - sicherlich ein erhebender Moment - ein Feuerwerk entzündet. "Das bedeutet, Jesus ist geboren", erklärt Preethi Lawrence.

Nach dem Gottesdienst bleibt die Gemeinde noch zusammen, isst Kuchen und trinkt Tee miteinander und die Geschenke werden ausgetauscht. In Mühlbach soll dieses Jahr der Tee durch den in Indien unbekannten Glühwein ersetzt werden. "Weil es hier so kalt ist", sagt Preethi Lawrence und lacht dabei.
Normaler Werktag: Einen 2. Weihnachtsfeiertag gibt es in Indien nicht
Der 25. Dezember ist auch bei den Katholiken in Indien ein Feiertag. "Da gibt es leckeres Essen und die ganze Verwandtschaft kommt zusammen", schildern Preethi und Joseph Lawrence. Sie haben sich für den Tag bereits mit Freunden verabredet, gemeinsam zu essen. Als besonders festlich gilt in Indien Rindfleisch. Das wird bei ihnen auch an Weihnachten auf den Tisch kommen. Zusammen mit Hähnchen Biryani, einer indischen Reispfanne. Einen 2. Weihnachtsfeiertag kennt man in Indien nicht. Das ist ein ganz normaler Werktag.
Preethi und Joseph Lawrence werden an den Weihnachtstagen oft mit den Gedanken bei ihrer Familie in Indien sein und sich auch nach ihnen sehnen. "Aber wir können das aushalten, weil wir gute Freunde haben", betonen sie übereinstimmend. "Unsere Freunde ersetzen an Weihnachten die Familie."