Im Schlachtraum: Erst Sankt Martin, dann Weihnachten – jetzt kommt wieder Gans auf den Tisch. Doch vorher müssen die Tiere geschlachtet werden. Viele blenden das aus. Wir waren dabei.





Nach kurzer Zeit hat sich auf dem Boden eine Blutlache gesammelt. Weiße Federn fliegen durch den dampfigen Raum. Das schrille Motorengeräusch der Rupfmaschine übertönt das Geschnatter. Schlachten ist nichts für Zimperliche. Und so manch einem guten Esser mag es beim Anblick der Prozedur den Magen umdrehen. Doch irgendwo müssen sie ja herkommen, die Martins- und Weihnachtsgänse, die in den kommenden Wochen wieder zu Tausenden auf den Tellern in der Region landen. Und bevor sie gerupft und ausgenommen in der Küche ankommen, steht eben das Schlachten. Schock-Reportagen über leidende Masthähnchen in engen Volieren oder grausame Schlachtungen ohne Betäubung kennt man aus dem Fernsehen. Viele Schlachter wollen sich nur ungern bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen lassen. Bei Familie Weilhöfer ist das anders. Die Landwirtschaftsfamilie aus Gernach im Landkreis Schweinfurt öffnet der Redaktion die Türen zu ihrem Schlachtraum.
Draußen, wenige Hundert Meter vom Spargelhof Weilhöfer entfernt, liegt so etwas wie ein Geflügelparadies. Gänse, Enten, Hühner und Puten stehen auf einer großen Koppel in der Morgensonne. Einige suhlen sich in einer Schlammpfütze. Andere frühstücken gerade. „Wir verfüttern nur unser selbst angebautes Getreide“, sagt Elke Weilhöfer. „Wir sind kein Bio-Hof, aber wir wissen, was unsere Tiere fressen. Das ist uns wichtig“, erklärt die 50-Jährige, die mit ihrem Mann Alban das Familienunternehmen führt.
Neben Spargel, Schnaps und Schweinen ist das Geflügel im Laufe von knapp 20 Jahren ein wichtiges Standbein der Weilhöfers geworden. „Wir haben mit zehn oder 15 Hühnern angefangen“, erinnert sich Elke Weilhöfer. „Die Nachfrage ist aber schnell gestiegen.“ Die Gössel – also die Gänseküken – beziehen die Weilhöfers von einem Zuchtbetrieb aus Norddeutschland. „Wir haben uns den Betrieb einmal während eines Urlaubs umgesehen“, erzählt Elke Weilhöfer. „Der Chef hat uns ohne Anmeldung herumgeführt. Das ist ein gutes Zeichen.“ Wenn die Gössel Ende Juni in Gernach ankommen, sind sie etwa zwei Wochen alt. Den Sommer über haben sie Zeit zum Wachsen, Fressen und Schlammbaden. Ab Mitte Oktober wird geschlachtet.
Der Schlachttag beginnt früh am Morgen, wenn die Tiere von der Koppel geholt werden. Bis zu 70 Stück Geflügel darf Elke Weilhöfer laut Gesetz pro Tag schlachten. „Mehr würde ich auch kaum schaffen.“ Schlachten ist ein Knochenjob. Im Schlachtraum trägt die gelernte Zahnarzthelferin Stiefel, Handschuhe und Schürze. Alles aus Gummi. Mit einem routinierten Griff fischt sie eine der Gänse, im Schnitt 6,5 Kilo schwer, aus einer großen Holzkiste. „Die schwerste Gans im letzten Jahr wog 8,2 Kilo“, sagt sie. „Die war schon zu groß für einen Ofen.“
Das Tier flattert noch kurz, doch dann geht es ganz schnell. Den Kopf voraus schiebt Elke Weilhöfer die Gans in einen der unten offenen Schlachttrichter, die nebeneinander an einer hüfthohen Metallwand mit Abflussrinne hängen. Dann setzt sie einen Bolzenschussapparat an der Schädeldecke an und drückt ab. Die Gans zuckt zwar noch, ist aber bewusstlos. „Seit 2013 müssen Tiere, die lebendig schwerer als fünf Kilo sind, mit einem Bolzenschuss betäubt werden“, erklärt Elke Weilhöfer. Früher habe man das immer mit einem gezielten Schlag mit einem Holzknüppel gemacht.
Während ihr Mann Alban Lehrgänge über den Umgang und die artgerechte Haltung von Geflügel absolviert hat, ist die 50-Jährige in dem Betrieb allein für das Schlachten zuständig. „Nur ich habe die Lizenz zum Töten“, sagt sie augenzwinkernd und meint damit den sogenannten Sachkundenachweis, den die Landratsämter nach einem Lehrgang und einer bestandenen Prüfung ausstellen. „Gelernt habe ich das Schlachten von meiner Schwiegermutter“, erinnert sich Elke Weilhöfer. Heute schlachtet sie pro Jahr rund 320 Gänse, etwa 800 Enten und bis zu 1000 Hähnchen.
Blutig wird es erst jetzt. Mit einem scharfen Messer durchtrennt die Landwirtin der in dem Trichter hängenden Gans die Kehle und bricht ihr das Genick. Kurz darauf ist das Tier ausgeblutet. Am Ende der Rinne fängt eine Schüssel dickflüssiges Rot auf.
Elke Weilhöfer schneidet Kopf und Füße ab. Dann gibt es ein Bad: In dem hohen mit 65 Grad heißem Wasser gefüllten Topf haben etwa zwei Gänse Platz. Weilhöfer gibt noch etwas Spülmittel hinzu. „Das löst das Fett aus dem Gefieder“, erklärt sie und schrubbt die Gans mit einem Holz ab. Erst so komme das heiße Wasser an die Haut und erleichtere das Herauslösen der Federn. Das erledigt in einem ersten Schritt eine Rupfmaschine. In der Trommel, die an eine umgekippte Waschmaschine erinnert, werden die Gänse geschleudert. Wasser spült die Federn aus einem Abfluss. Danach geht es für die Tiere erst in flüssiges Wachs, dann in kaltes Wasser. So lassen sich auch die restlichen Federn leicht entfernen.
Mit einem Messer werden die hartnäckigsten Daunen abgeschabt, bevor die Tiere ausgenommen und für den Verkauf vakuumiert werden. Herz, Magen und Leber reinigt Elke Weilhöfer und verkauft sie mit. „Die braucht man für eine fränkische Fülle.“ Die Hälfte der Gänse landet in gastronomischen Betrieben, den Rest kaufen Privatkunden. Für 11,50 Euro das Kilo.
Bis ein Schlachttag zu Ende und der Arbeitsplatz gereinigt ist, wird es häufig Abend. „Zur Landwirtschaft gehört Leidenschaft“, lautet das Motto der Weilhöfers. Und diese Leidenschaft nimmt man ihnen ab, wenn die Chefin stolz durch Ställe, Scheune, Brennerei und Hofladen führt.
Zur Qualität von Fleisch aus dem Supermarkt will sie sich nicht äußern. „Wir haben ja alles selbst, auch einen Karpfen- und einen Forellenteich.“ Lediglich Rindfleisch besorgt Elke Weilhöfer ab und zu von einem Metzger. Auch bei vielen ihrer Kunden stellt sie eine kritischere Einstellung zum Thema Fleisch fest. „Wir bemerken ein Umdenken bei den Leuten. Sie werden bewusster.“ Aber nicht alle können sich die Qualität auch leisten.
Spätestens an Weihnachten kommt auch bei den Weilhöfers wieder eine Gans auf den Tisch. „Meistens haben wir eine magere. Die mit viel Fleisch bekommen unsere Kunden.“





