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Schweinfurt: Kugelfischer-Geschichte: Erinnerungen an legendäre Weihnachtsfeiern bei "Papa Schäfer"

Schweinfurt

Kugelfischer-Geschichte: Erinnerungen an legendäre Weihnachtsfeiern bei "Papa Schäfer"

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    1958 gab es bei der Kugelfischer-Weihnachtsfeier im Saal der Jugend in Schweinfurt über die Köpfe des Orchesters hinweg von Georg Schäfer alias "Papa Schäfer" (rechts auf der Bühne) einen Hula-Hoop-Reifen für Direktor Dörfler. 
    1958 gab es bei der Kugelfischer-Weihnachtsfeier im Saal der Jugend in Schweinfurt über die Köpfe des Orchesters hinweg von Georg Schäfer alias "Papa Schäfer" (rechts auf der Bühne) einen Hula-Hoop-Reifen für Direktor Dörfler.  Foto: Archiv AKI

    Wer sich an seine Kindheit erinnert, blickt dabei bestenfalls auf ein buntes Sammelsurium unvergesslicher und prägender Momente zurück. Für viele Kinder aus der Region Schweinfurt, deren Väter, Mütter oder nahe Verwandte "beim Kufi gschafft" haben, gehören die legendären Kinderweihnachtsfeiern bei Kugelfischer Georg Schäfer & Co. sicher zu diesen unverwüstlichen Eindrücken, die für immer unter "heile Welt der Kindertage" abgespeichert sind.        

    Von 1953 bis 1991, also dem Zeitpunkt, als die wirtschaftlichen Probleme der Firma begannen, fanden alleine in Schweinfurt jährlich vier bis sechs solcher Feiern für die "liebe Werksfamilie" im großen "Saal der Jugend" (heute Kantine) statt. Dazu kamen regional Feiern in Gerolzhofen und Eltmann, damit auch wirklich alle Kinder der Werksangehörigen mit ihren Eltern eine dieser opulent ausgestatteten Weihnachtsfeiern besuchen konnten. Und weil zu Zeiten von "Werksfamilien-Oberhaupt" Dr. Georg Schäfer (1896 bis 1975) sehr viel Wert darauf gelegt wurde, den Begriff "Werksfamilie" mit Leben zu erfüllen, waren die Feiern schon bald unter "Weihnachten bei Papa Schäfer" bekannt und behielten diese Bezeichnung über dessen Tod hinaus.   

    Geschenke in Holzkisten gepackt und in die USA und Kanada verschifft

    Solche Weihnachtsfeiern gab es nicht nur in Schweinfurt, auch in allen anderen Werken in Deutschland und vermutlich auch in den ausländischen Niederlassungen des international tätigen Konzerns. Bekannt ist zumindest, dass freiwillige Helfer, wie etwa die Leute von der Werksfeuerwehr, Geschenke in Holzkisten packten, damit diese rechtzeitig in die USA und nach Kanada verschifft werden konnten.   

    Mit den Weihnachtstüten in der Hand und 1958 auch noch mit den Hula-Hoop-Reifen verlassen die Familien die Weihnachtsfeier. Die Reifen wurden übrigens von der Mainplastik, einer Tochter von FAG-Kugelfischer, im Schweinfurter Hafen produziert.
    Mit den Weihnachtstüten in der Hand und 1958 auch noch mit den Hula-Hoop-Reifen verlassen die Familien die Weihnachtsfeier. Die Reifen wurden übrigens von der Mainplastik, einer Tochter von FAG-Kugelfischer, im Schweinfurter Hafen produziert. Foto: Archiv AKI

    Thomas Bauer (52), Mitglied im AKI-Förderkreis Industrie-, Handwerks- und Gewerbekultur e.V (kurz AKI) und Kurator des Industriemuseums Schweinfurt (IMS), bezeichnet sich selbst als "3. Generation Kufi", auch wenn sein Brötchengeber nun Schaeffler-Gruppe heißt, wo er in Technologie und Entwicklung arbeitet. "Opa Rudi, Vater Wolfgang und die zwei Onkel Klaus und Jochen haben beim Kufi gearbeitet, ich selbst habe dort zunächst Maschinenschlosser gelernt."

    Vor dem Müll gerettet wird auch dieses Portrait von Georg Schäfer sicher ein Teil der Ausstellung werden, die Thomas Bauer plant.
    Vor dem Müll gerettet wird auch dieses Portrait von Georg Schäfer sicher ein Teil der Ausstellung werden, die Thomas Bauer plant. Foto: Helmut Glauch

    Als "Kufi-Kind" hat er im Alter von 7 bis 14 Jahren kein "Weihnachten bei Papa Schäfer" verpasst. Auch wenn zu seiner Zeit "Papa Schäfer" schon nicht mehr lebte, hatten die Feiern nichts von ihrem Glanz verloren, und immer seien hochrangige Firmenvertreter vor Ort gewesen.       

    Thomas Bauer sammelt Bilder, Programmhefte und Geschenke

    Damit das, was viele tausend junge Schweinfurterinnen und Schweinfurter erlebt haben, nicht in Vergessenheit gerät, recherchiert er seit vier Jahren zu diesem Thema, sammelt Bilder, Programmhefte und Geschenke, die damals den Kindern gemacht wurden. Sein Ziel: eine umfangreiche Ausstellung und ein Begleitheft zum Thema "Weihnachten bei Papa Schäfer".

    Erste Aufrufe in gedruckten und digitalen Medien fanden ein überwältigendes Echo. Die Erinnerung an diese vorweihnachtlichen Nachmittage, die sich die Firma richtig was kosten ließ, scheinen sich tief ins kollektive Gedächtnis derjenigen, die dabei waren, gegraben zu haben.     

    Auch die Belegschaft drückte ihrem Arbeitgeber ihre Hochachtung aus. Hier überreicht ein kleines Engelchen 1959 den Inhabern "himmlische Geschenke".
    Auch die Belegschaft drückte ihrem Arbeitgeber ihre Hochachtung aus. Hier überreicht ein kleines Engelchen 1959 den Inhabern "himmlische Geschenke". Foto: Archiv AKI

    Besonders der Kakao, der den Kindern serviert wurde, muss "himmlisch gut" gewesen sein. "Es war die weltbeste heiße Schokolade, die ich je getrunken habe", sind sich Zeitzeugen einig. Auch Thomas Bauer bekommt heute noch glänzende Augen, wenn er an die heiße Schokolade und die hochwertigen Lebkuchen und Christstollen denkt, die damals auf den Tellern lagen.  

    Eine "Wundertüte" voller Leckereien und Spielzeug

    Beeindruckend auch der Besuch des Nikolaus und das Bühnenprogramm, das mit Darbietungen der werkseigenen Chöre, Märchenspielen oder Theater gespickt war. In den Kinderaugen unschlagbarer Höhepunkt war aber die Weihnachtstüte, die jedes Kind mit nach Hause nehmen durfte. Darin waren nicht nur Süßigkeiten, Nüsse und Mandarinen, sondern auch ein Spiel, ein Spielzeug oder ein Buch. Eine echte "Wundertüte", deren heiß ersehnter Inhalt der Bescherung unterm heimischen Weihnachtsbaum willkommene Konkurrenz machte. 

    Unter diesen Weihnachtsgeschenken ist der Hula-Hoop-Reifen, der 1958 zwar nicht in die Tüte passte, aber dennoch viel Schwung in die Weihnachtstage gebracht haben dürfte, unvergessen. Die Reifen waren "Made in Schweinfurt", wurden bei der Mainplastik im Schweinfurter Hafen produziert.

    Viele freuten sich schon Wochen vorher auf diese Weihnachtsfeiern

    Andere erinnern sich an Isomatten, die den praktischen Teil der Geschenke abdeckten, oder eine gelungene Aufführung von "Peterchens Mondfahrt". Meist spielten Werksfamilienkinder, aber auch das Coburger Puppentheater war zu Gast. Im Schweinfurter Verlag "Weppert KG" erschien ein Buch mit zwölf nachspielbaren Kasperle-Geschichten, das 1968 den Kindern zum Geschenk gemacht wurde. "Dieses Büchlein als Kostprobe beglückender Oster- und Weihnachtsfeiern der Firma Kugelfischer Georg Schäfer & Co. soll in Dankbarkeit gewidmet sein dem Seniorchef der Firma und Initiator dieser Feiern, Herrn Dr. Georg Schäfer, der in vielen Veranstaltungen ungezählte große und kleine Besucher beschenkte", heißt es im Vorwort.   

    Stets wurde bei den Weihnachtsfeiern nicht mit Lebkuchen und Christstollen gegeizt.
    Stets wurde bei den Weihnachtsfeiern nicht mit Lebkuchen und Christstollen gegeizt. Foto: Archiv AKI

    Ehemalige Sängerinnen und Sänger des werkseigenen Kinderchores erinnern sich an ihre Auftritte oder daran, dass sie auf der Bühne ein Gedicht aufgesagt haben. Allen gemeinsam war, dass sie sich schon Wochen vorher auf diese Weihnachtfeiern gefreut haben und dass sie von anderen Kindern, die "niemand beim Kufi" hatten und deshalb nicht eingeladen wurden, regelrecht beneidet wurden.      

    Überwältigende Eindrücke beim Betreten des Saals

    Daran kann sich auch Thomas Bauer noch erinnern und an das tolle Gefühl, wenn man als Kind diese große Halle mit den langen gedeckten Tischen betrat. Ein Gefühl, das weiß er aus Erzählungen, muss in den Anfangsjahren noch intensiver gewesen sein, als die Menschen teils aus ausgebombten Wohnungen und hungrig zu den Weihnachtsfeiern kamen. "Der große weihnachtlich geschmückte Saal, die gedeckten Tische, die Leckereien, all das muss den Leuten wie ein Traum vorgekommen sein", fasst er das zusammen, was Zeitzeugen ihm erzählten.     

    Unvergessen auch die Auftritte von Georg Schäfer, der nicht nur auf der Bühne stand, sondern auch "unter die Leut" ging und der seiner Belegschaft seine Wertschätzung habe spüren lassen. "Die Familie Schäfer hat verstanden, wer verantwortlich ist für ihr Vermögen. Die haben wirklich und von ganzem Herzen etwas zurückgeben wollen", so auch der Eindruck von Thomas Bauer. Ein Eindruck, der sich für ihn aus dem von Zeitzeugen gehörten und eigenem Erleben speist. 

    Da muss 1962 auf der Bühne der Weihnachtsfeier ganz schön was los gewesen sein. Anders sind diese begeisterten Kinderaugen nicht zu erklären.
    Da muss 1962 auf der Bühne der Weihnachtsfeier ganz schön was los gewesen sein. Anders sind diese begeisterten Kinderaugen nicht zu erklären. Foto: Archiv AKI

    Und diese Zeitzeugen erinnern sich immer wieder an Details, die die Dimension der Weihnachtsfeiern verdeutlichen. So wurden etwa für die erste Weihnachtsfeier 13.000 Packungen Lebkuchen bei einer bekannten Nürnberger Lebkuchenbäckerei geordert. Ein Kontingent, das zuvor die gesamte Jahresproduktion dieser Firma gewesen sei, weshalb bei der telefonischen Nachfrage nach so viel Lebkuchen erst einmal Funkstille am anderen Ende der Leitung in Nürnberg geherrscht habe.

    Warum es wichtig ist, Schweinfurter Industriegeschichte zu bewahren

    Und so sammelt Thomas Bauer weiter Eindrücke und Erinnerungsstücke von Menschen, die dabei waren und das eine oder andere aufgehoben haben, denn es gibt noch viele offene Fragen rund um diese vorweihnachtlichen Großereignisse. Das Echo auf erste Aufrufe war überwältigend. "Ich habe schon richtig ein schlechtes Gewissen, weil ich es zeitlich noch nicht geschafft habe, mich bei allen zurückzumelden, aber das wird nachgeholt", so Thomas Bauer im Hinblick auf die große Resonanz. Was alles zusammengetragen wird, wird durch Ausstellung, Begleitheft und in Zusammenarbeit mit dem Kulturforum allen Schweinfurtern zugänglich gemacht. "Wir bewahren und sichern Schweinfurter Geschichte in Bezug auf Industrie, Handwerks- und Gewerbekultur", habe sich der AKI auf die Fahnen geschrieben, und genau dies soll die Ausstellung zum Thema "Weihnachten bei Papa Schäfer" tun, so IMS-Kurator Thomas Bauer.    

    Kontakt und Informationen bei Thomas Bauer Tel. 09721 476802

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