Standpunkt
Die Lage um die Steigerwaldbahn wird immer vertrackter. Keiner von den Akteuren will den nächsten Schritt Richtung Reaktivierung gehen. Es vergeht Monat für Monat und im Hintergrund zieht derweil Innenstaatssekretär Gerhard Eck seine Fäden, an denen er die Bahn aus dem Verkehr ziehen will. Das Abrissunternehmen steht schon bereit und wartet nur noch auf die Entwidmung.
Gleichzeitig kursieren fast täglich Nachrichten von sterbenden Wäldern und immer heftiger werdenden Unwettern in den Medien. Gegen den nicht mehr abzustreitenden Klimawandel gehen Jugendliche auf die Straße. Auch ältere Menschen wenden sich immer mehr vom einstigen goldenen Kalb Auto ab, das als einer der Hauptverursacher der globalen Erwärmung gilt. Eine überwältigende Mehrheit von 76 Prozent der Deutschen fordert von der Politik eine Verkehrswende und eine Abkehr von der Vorfahrt der Straße. Drei Viertel wünschen laut einer repräsentativen Umfrage der Allianz pro Schiene, dass der Staat mehr Geld in die Schiene als in die Straße investiert oder zumindest gleich viel. "Wer heute noch Straßenpolitik betreibt, macht eine Politik gegen die Menschen", folgert Dirk Felge, der Geschäftsführer der Allianz, aus dem Ergebnis der Umfrage. Der Mann hat recht.
All das interessiert Gerhard Eck nicht. Er gehört zu den Straßen-Fetischisten. Seine Politik besteht in großen Teilen aus Bauen und Versiegeln, Asphalt und Beton. Von der Bahn hält Eck indes nichts. Die fährt ja nur mit alten Dieselloks und leeren Waggons durch die Gegend, hat er einmal gesagt. Wenn er selbst mit dem Auto von Pusselsheim nach München fährt, belegt er wie so viele andere Alleinfahrer nur 20 Prozent der Sitzkapazität seines Autos, nämlich einen von fünf Plätzen, die ein Pkw normalerweise hat. Käme die Bahn auf eine solch erbärmliche Auslastung, wäre das Geschrei groß.
Wer in Sachen Bahn anders als Eck denkt, ist für ihn ein Verblendeter, ein Ideologe und auf alle Fälle rückwärtsgewandt. Wer genau hinhört, merkt es: Er wendet auf Bahnbefürworter fast haargenau das gleiche Vokabular an wie für Anhänger eines Nationalparks Steigerwald.
Ecks Thesen und Argumente gegen die Bahn, die er CSU-Mandatsträgern und -Mitgliedern längs der Bahnlinie mit auf den Weg ins Gerolzhöfer Pfarrer-Hersam-Haus zur Pro-Bahn-Veranstaltung der Grünen gegeben hat, sind durch das Mischsystem von Straßen und Eisenbahn zwischen Schweinfurt und Kitzingen, das Verkehrsplaner Robert Wittek-Brix vorgelegt hat, so gut wie alle widerlegt. Seitdem dieses zukunftsträchtige Konzept auf dem Tisch liegt, hat man nichts mehr vom Innenstaatssekretär gehört. Seine Argumentationshilfe gegen die Bahn beruhte ja auch auf einer Wiederaufnahme des Betriebs, so wie er in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts eingestellt worden war. Das will niemand unter den Bahnbefürwortern.
Eck sollte auch nicht verkennen, dass weitsichtige Politiker aus den eigenen Reihen für die Bahn sind. Gerolzhofens Bürgermeister Thorsten Wozniak zum Beispiel. Auch Landtagsabgeordnete Barbara Becker scheint einer reaktivierten Steigerwaldbahn nicht ganz negativ gegenüberzustehen.
Sicher wird eine Bahnlinie die Welt und ihr Klima nicht retten. Aber sie könnte ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Und viele Tropfen löschen einen heißen Stein.