Die Frage, ob die Steigerwaldbahn reaktiviert wird oder nicht, ist derzeit weiter in der Schwebe. Abwarten ist erstmal die Devise der Gremien wie Stadtrat oder Kreistag in Kitzingen. Der Grund: Möglicherweise ändern sich die Kriterien für eine Reaktivierung stillgelegter Eisenbahnstrecken. Es könnte auch sein, dass es durch die neue Ampel-Regierung in Berlin einen bundesweiten Leitfaden zur Reaktivierung von Bahnstrecken gibt. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Paul Knoblach hält derweil seine Kritik am Zustandekommen des Gutachtens zu den potenziellen Fahrgastzahlen ausdrücklich aufrecht.
Knoblach wandte sich an diese Redaktion, nachdem in der Stadtratssitzung im Dezember zum Thema Steigerwaldbahn Florian Liese, Leiter der Abteilung Planung der Bayerischen Eisenbahn-Gesellschaft, sowie Verkehrsforscher Andreas Kovacs, die Potenzialuntersuchung der BEG vorgestellt hatten, die in den vergangenen Wochen bereits von Kritikern und Befürwortern sehr unterschiedlich bewertet wurde.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass das Fahrgast-Potenzial der Steigerwaldbahn nicht nur auf der Strecke zwischen Schweinfurt und Gerolzhofen, sondern auch auf der gesamten Strecke bis Kitzingen teils deutlich unter dem Richtwert 1000 liegt. Außerdem sagte Liese bezüglich einer Akteneinsicht im Verkehrsministerium, die Paul Knoblach und dem verkehrspolitischen Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Markus Büchler, gewährt wurde, das Gespräch sei "konstruktiv" gewesen und der Abgeordnete Knoblach habe erklärt, aus seiner Sicht bestünde "kein Misstrauen, dass die Berechnungen falsch seien."
Eine Bemerkung, die den Stadtrat durchaus in seiner Entscheidung beeinflusste und Knoblach hörbar ärgert, weil sie aus seiner Sicht nicht stimmt. Er sei "höchst verwundert", erklärt er, denn der Ablauf der Akteneinsicht sei ein völlig anderer gewesen als von Liese geschildert. Die Schilderung des von Knoblach Gesagten durch Liese sei "falsch". Der Abgeordnete erklärt: "Es gibt ganz im Gegenteil und nach wie vor erhebliche Zweifel an den Zahlen und Schlussfolgerungen im BEG-Gutachten zum Fahrgastpotenzial auf der Steigerwaldbahnstrecke."

Zunächst hätten er und sein Kollege Büchler mehrere Monate lang immer wieder nachfragen müssen, um die Akteneinsicht zu bekommen. Sie hätten auch vorgeschlagen, einen Referenten und vor allem den Würzburger Geograph und Verkehrsforscher Dr. Konrad Schliephake, zu der Besprechung mitzubringen. Dessen schon vor Jahren der BEG vollumfänglich zur Verfügung gestelltes Gutachten zeige ein Potenzial von weit über 1000 Reisendenkilometern auf.
"Die Diskrepanz zwischen den beiden Gutachten ist einfach zu groß", begründet Knoblach seine Zweifel am BEG-Gutachten. Es bleibe Skepsis und auch der Verdacht der möglichen politischen Einflussnahme hinter den Kulissen von Seiten der CSU-geführten Staatsregierung.
"Es gibt ganz im Gegenteil und nach wie vor erhebliche Zweifel an den Zahlen und Schlussfolgerungen im BEG-Gutachten zum Fahrgastpotenzial auf der Steigerwaldbahnstrecke."
Grünen-Landtagsabgeordneter Paul Knoblach.
Beim Termin im Verkehrsministerium im Herbst 2021 habe die BEG eine Beteiligung von Schliephake verweigert – "ohne Angaben von Gründen", so Knoblach. Für den Grünen-Abgeordneten wäre eine Beurteilung des BEG-Gutachtens durch Schliephake und vor allem der Berechnungsmethoden wichtig, um beurteilen zu können, wie glaubwürdig es sei.

Er sieht Schliephake als unparteiisch an und fordert, mit ihm in einen wissenschaftlichen Dialog zum Thema einzutreten. Für ehrenamtliche Stadt- und Kreisräte, die nicht beruflich mit Verkehrsthemen zu tun haben, sei es schwer, das Zustandekommen des BEG-Gutachtens zu beurteilen, so Knoblach. Würde Schliephake Einsicht bekommen und bestätigen, dass die BEG-Berechnung richtig sei, wäre das "für mich völlig in Ordnung", betont der Abgeordnete.

Er habe aufgrund seiner Erfahrungen mit der Staatsregierung und insbesondere Staatssekretär Gerhard Eck "immer die Sorge, dass politische Interessen dahinter stehen", so Knoblach. Die Versuche, die Bahntrasse zu retten und zu reaktivieren, seien "mit allen Mitteln bekämpft worden".
Vieles, so der Abgeordnete, "geschieht in diesem ungleichen Kampf verdeckt". Ob das der Verkauf des südlichen Teils der Trasse zwischen Gerolzhofen und Großlangheim an einen Unternehmer war oder die Ablehnung des Streckenbetriebs durch die Thüringer Eisenbahngesellschaft: "Es blieben nahezu alle Entscheidungsgründe der Gegner einer wiederbelebten Steigerwaldbahn im Dunkeln."