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Gerolzhofen: Streit um die Steigerwaldbahn: Darum geht es

Gerolzhofen

Streit um die Steigerwaldbahn: Darum geht es

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    Schienen im Dörnröschenschlaf: Die Bahntrasse der stillgelegten Steigerwaldbahn bei Stadelschwarzach (Lkr. Kitzingen). 
    Schienen im Dörnröschenschlaf: Die Bahntrasse der stillgelegten Steigerwaldbahn bei Stadelschwarzach (Lkr. Kitzingen).  Foto: Michael Mößlein

    Um welche Bahnstrecke geht es?

    Die rund 50 Kilometer lange Steigerwaldbahn verband einst die Bahnhöfe in Schweinfurt und in Kitzingen und bot so Anschluss an die dortigen Fernbahnverbindungen. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Eisenbahnbrücke über den Main in Kitzingen gesprengt und nicht wieder aufgebaut. Seit dieser Zeit endete die Strecke wie eine Sackgasse im Kitzinger Stadtteil Etwashausen, vom Bahnhof Kitzingen getrennt durch den Main.

    Der Personenverkehr im Abschnitt zwischen Etwashausen und Gerolzhofen wurde bereits vor 38 Jahren im Jahr 1981 eingestellt, das andere Teilstück zwischen Gerolzhofen und Schweinfurt folgte dann 1987. Der planmäßige Güterverkehr endete im Jahr 2001. Danach fuhren nur noch sporadisch Züge als Militärtransporter der US-Army. 2006 mit dem kompletten Abzug der US-Streitkräfte aus Kitzingen war auch damit Schluss. Seitdem verfällt die Trasse zusehends.

    Die Strecke der Steigerwaldbahn von Kitzingen-Etwashausen nach Schweinfurt
    Die Strecke der Steigerwaldbahn von Kitzingen-Etwashausen nach Schweinfurt Foto: Grafik Jutta Glöckner

    Hat die Deutsche Bahn kein Interesse an der Strecke?

    Die Deutsche Bahn (DB) will die Steigerwaldbahn loswerden. 2016 scheiterten erste Verkaufspläne, obwohl es mehrere Interessenten gegeben hatte. Der Streckenabschnitt von Gochsheim bis zur Endstation in Etwashausen wurde daraufhin vom Bayerischen Innenministerium noch im gleichen Jahr stillgelegt. Die Stilllegung des verbliebenen Abschnitts zwischen Sennfeld und Gochsheim folgte ein Jahr später. Momentan versucht die "DB Immobilien" wieder, einen höchstbietenden Käufer für die Trasse zu finden, der auf eigene Kosten Gleise und Schotterbett beseitigt. Es soll interessierte Schrotthändler geben, die sich ein lukratives Geschäft versprechen.   

    Wie ist der rechtliche Status der Bahnstrecke?

    Für den kleinen Abschnitt auf Kitzinger Gemarkung genehmigte die Regierung von Mittelfranken bereits im Jahr 2016 auf Antrag der Stadt Kitzingen die Entwidmung, die so genannte "Freistellung von Bahnbetriebszwecken". Eine Klage, die dies verhindern sollte, scheiterte vor dem Verwaltungsgericht Würzburg und dem Verwaltungsgerichtshof in München. Damit hat der Streckenabschnitt auf Kitzinger Gemarkung seine rechtliche Privilegierung als Bahnstrecke verloren. Für eine Wiederinbetriebnahme der Trasse wäre nun - wie bei einem kompletten Neubau - ein aufwändiges Planfeststellungsverfahren nötig. So weit dürfte es nicht kommen, denn Kitzingen will die ehemaligen Bahnflächen für die Verbesserung der Straßensituation im östlichen Stadtgebiet verwenden. Die Trasse der Steigerwaldbahn endet somit rechtlich gesehen bereits in Großlangheim.

    Mit solchen Bannern versuchen die Bahn-Befürworter zu überzeugen.
    Mit solchen Bannern versuchen die Bahn-Befürworter zu überzeugen. Foto: Geo-net

    Wie verhalten sich die anderen Anrainergemeinden? 

    Nach dem Vorbild der Stadt Kitzingen stellten in der Folge die Stadt- und Gemeinderäte aller Kommunen entlang der Strecke ebenfalls Anträge auf Entwidmung der Bahngrundstücke auf ihren Gemarkungen: Großlangheim, Kleinlangheim, Wiesentheid, Prichsenstadt (im Lkr. Kitzingen) sowie Lülsfeld, Frankenwinheim, Gerolzhofen, Sulzheim, Grettstadt, Gochsheim und Sennfeld (im Lkr. Schweinfurt). Lediglich Gerolzhofen zog Anfang 2019 seinen Antrag zurück und will jetzt erst eine Fahrgast-Potenzialanalyse für die Strecke abwarten. Das Hauptargument der Kommunen entlang der Strecke: Die Trasse sei nach Jahrzehnten des Brachliegens zu einem Störfaktor geworden und behindere wegen ihres rechtlichen Sonderstatus die Weiterentwicklung der Gemeinden bei der Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten.

    Mit solchen Plakat spricht sich die Bürgerinitiative in Gochsheim gegen die Wiederbelebung der Bahnlinie aus.
    Mit solchen Plakat spricht sich die Bürgerinitiative in Gochsheim gegen die Wiederbelebung der Bahnlinie aus. Foto: Gerd Frackenpohl

    Wie ist der Stand des Entwidmungsverfahrens?

    Anfang diesen Jahres hat die Regierung von Mittelfranken die Entwidmungsanträge der Anrainergemeinden im Bundesanzeiger veröffentlicht und damit das Verfahren eröffnet, dessen Ablauf in Paragraph 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) geregelt ist. Noch bis zum 30. Juni können nun Argumente für oder gegen die beantragte Entwidmung der Strecke vorgebracht werden. Dazu aufgerufen sind neben den Gemeinden und der Deutschen Bahn inbesondere die Landkreise Schweinfurt und Kitzingen als Träger des Öffentlichen Personennahverkehrs in der Region. Beide Landkreise haben sich inzwischen nach Mehrheitsbeschlüssen ihrer Kreistage durchaus überraschend gegen die Anrainergemeinden gestellt und die in Paragraf 23 AEG aufgeführten Hinderungsgründe einer Entwidmung geltend gemacht: Die Landkreise sehen noch ein "Verkehrsbedürfnis" für die Bahnstrecke und erwarten, anders als die Kommunen, wie im AEG gefordert "langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung".

    Wie geht es nun weiter mit der Entwidmung?

    Nach dem 30. Juni werden die Regierung von Mittelfranken und das Eisenbahnbundesamt als zuständige Planfeststellungsbehörden Entscheidungen über die Entwidmungsanträge treffen. Wie diese ausfallen werden, ist ungewiss. Anzunehmen ist zum einen, dass alle Anträge mit dem gleichen Ergebnis beschieden werden, um eine einheitliche rechtliche Situation entlang der Strecke zu erreichen. Zum anderen scheinen die Argumente der beiden Landkreise so gewichtig zu sein, dass die Anträge der Anrainergemeinden wohl abgelehnt werden dürften und die alte Bahntrasse zwischen Sennfeld und Großlangheim somit ihre rechtlichen Sonderprivilegien behält.

    Welche Voraussetzungen gibt es für eine Wiederinbetriebnahme der Strecke?

    Vorausgesetzt, die Behörden weisen die Anträge der Anrainer ab, kann über eine Wiederinbetriebnahme der Strecke nachgedacht werden. Zuständig dafür ist die staatliche Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), die dem Bayerischen Innenministerium unterstellt ist. Im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern wurde vereinbart, stillgelegte Eisenbahnstrecken nur dort zu reaktivieren "wo es sinnvoll und möglich ist". Die BEG hat dazu vier Voraussetzungen aufgestellt: ein vom Freistaat Bayern anerkanntes Gutachten, wonach eine Fahrgast-Nachfrage von mindestens 1000 Reisenden-Kilometer gegeben ist; die Infrastruktur der Strecke wird ohne Zuschuss des Freistaats in einen Zustand versetzt, der einen attraktiven Zugverkehr ermöglicht;  ein Unternehmen betreibt die Strecke dauerhaft zu einem Preis, der nicht teurer ist als die Deutsche Bahn; die Landkreise als Aufgabenträger des ÖPNV verpflichtet sich, ein mit dem Freistaat abgestimmtes Buskonzept im Bereich der Bahnstrecke umzusetzen.

    Ein Bahnübergang in Gerolzhofen: Vor einer Wiederinbetriebnahme der Strecke müssten an vielen Stellen die Gleisanlagen komplett erneuert werden. Die Holzschwellen sind längst verrottet. 
    Ein Bahnübergang in Gerolzhofen: Vor einer Wiederinbetriebnahme der Strecke müssten an vielen Stellen die Gleisanlagen komplett erneuert werden. Die Holzschwellen sind längst verrottet.  Foto: Klaus Vogt

    Wie hoch wird das Fahrgast-Potenzial wohl sein?

    Der erste Schritt wäre also ein Gutachten der BEG, das ein Fahrgast-Potenzial an Werktagen von mindestens 1000 Reisenden-Kilometern (Rkm) erwartet. Denn Geld für leere Züge soll nicht ausgegeben werden, betont Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU). Ein vom Förderverein Steigerwald-Express privat in Auftrag gegebenes Gutachten kommt für den südlichen Streckenabschnitt zwischen Gerolzhofen und Großlangheim wegen des fehlenden Direktanschlusses an den Kitzinger Bahnhof nur auf 786 Rkm, zwischen Gerolzhofen und Schweinfurt allerdings auf 1592 Rkm. Ein anderes, vom Landkreis Schweinfurt in Auftrag gegebenes Gutachten nur für den Abschnitt Gerolzhofen – Schweinfurt kommt hingegen nur auf 1010 Rkm. 

    Welche Kosten würden für eine Reaktivierung anfallen?

    Die vom Landkreis Schweinfurt beauftragten Gutachter rechnen nur für den Streckenabschnitt Schweinfurt - Gerolzhofen mit Kosten zwischen 22 und 27 Millionen Euro - ohne Grunderwerb für Haltestellen, ohne Signal- und Stellwerkstechnik, ohne Lärmschutz und ohne den Naturschutz-Ausgleich. Für mehr als die Hälfte der Strecke sei ein Komplettaustausch von Schienen, Schwellen und Schotterbett nötig.

    Welche Parteien stehen sich in der hitzigen Debatte gegenüber?

    In Prichsenstadt, Gerolzhofen, Grettstadt und Gochsheim haben sich Bürgerinitiativen gegen die Steigerwaldbahn gegründet, die keine generellen Bahngegner sind, sondern im Einsatz von modernen Bussen einen kleineren CO2-Fußabdruck sehen als beim Einsatz einer Eisenbahn. Dies sieht auch Innenstaatssekretär Gerhard Eck (CSU) so, der den Befürwortern der Steigerwaldbahn "Träumereien, Halbwahrheiten, rückwärtsgewandte Nostalgie und ideologische Verblendung" vorwirft. Zu den Unterstützern einer Wiederbelebung zählen hauptsächlich Politiker der Grünen und der SPD, aber auch die Handwerkskammer sowie die Industrie- und Handelskammer. Dringlichkeitsanträge von Grünen, SPD und AfD für den Stopp des laufenden Entwidmungsverfahrens scheiterten kürzlich im Landtag an der Regierungsmehrheit.  

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