Das Thema Steigerwaldbahn beschäftigte jüngst auch den Schweinfurter Stadtrat wieder. Begleitet von einer Demonstration von gut 25 Befürwortern einer Reaktivierung vor den Türen des Konferenzzentrums auf der Maininsel im Vorfeld, entschied der Stadtrat nun, erst einmal abzuwarten.
Auch der Kreistag in Kitzingen ging kürzlich diesen Weg. Der Grund: Möglicherweise ändern sich die Kriterien für eine Reaktivierung stillgelegter Eisenbahnstrecken. Es könnte auch sein, dass es durch die neue Ampel-Regierung in Berlin einen bundesweiten Leitfaden zur Reaktivierung von Bahnstrecken gibt.
Auch wenn man als Stadt selbst nur ein kurzes Stück zwischen Hauptbahnhof und Sennfelder Bahnhof hat, will sich Schweinfurt zunächst alle Optionen offen halten. An der grundsätzlichen Skepsis gegenüber dem Vorhaben hat sich aber in großen Teilen des Gremiums nichts geändert, was man auch an den Fragen der Stadträte an die Vertreter der Bayerischen Eisenbahn-Gesellschaft (BEG) merkte.

Der Hintergrund für die neue Situation ist, dass am 6. Dezember Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) ein Positionspapier zur Reaktivierung von Bahnstrecken an die Landtagsabgeordneten von CSU und Freien Wählern verschickte. In dem internen Papier hält Schreyer zwar an den geltenden Kriterien zur Wiederinbetriebnahme von Regionalbahnen fest – darunter auch die für die Steigerwaldbahn kritische Vorgabe, dass die Strecke an Werktagen von mindestens tausend Fahrgästen genutzt werden muss.
Allerdings sollen diese Kriterien um ein "Vier-Säulen-Modell" mit einem Gesamtvolumen von 55 Millionen Euro pro Jahr ergänzt werden, das eine "sinnvolle Reaktivierung" auch jenseits der fixen Vorgaben möglich machen soll. Dazu zählt eine "Perspektivförderung Betrieb" für Strecken, die wie die Steigerwaldbahn in Prognosen unter dem Fahrgastziel liegen.

Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) betonte, das bedeute, dass im Fall einer Reaktivierung der Bahn sich die Stadt finanziell anteilig beteiligen müsste, genauso wie der Landkreis Schweinfurt und der Landkreis Kitzingen, falls die Bahn bis dahin fährt. "Die ganze Region muss sagen: Wir wollen das", heißt es aus dem Ministerium.
Florian Liese, Leiter der Abteilung Planung der Bayerischen Eisenbahn-Gesellschaft, sowie Verkehrsforscher Andreas Kovacs, stellten dem Stadtrat ausführlich die Potenzialuntersuchung der BEG vor, die in den vergangenen Wochen bereits von Kritikern und Befürwortern sehr unterschiedlich bewertet wurde.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass das Fahrgast-Potenzial der Steigerwaldbahn nicht nur auf der Strecke zwischen Schweinfurt und Gerolzhofen, sondern auch auf der gesamten Strecke bis Kitzingen unter dem Richtwert 1000 liegt. Sie begründeten ihre Methodik und warum sie andere Studien, die ein deutlich höheres Fahrgast-Potenzial errechnet hatten, nicht anerkennen können.
"Die Aussage des Gutachtens ist, dass die Kriterien unter den jetzigen Rahmenbedingungen nicht erfüllt werden."
Florian Liese zur BEG-Potenzialuntersuchung.
Liese erläuterte auch, dass der Garstadter Landtagsabgeordnete Paul Knoblach (Grüne) mit einem Kollegen zusammen im September vollständige Akteneinsicht hatte und ihm auch die umfangreichen Berechnungsmodelle für die Potenzialuntersuchung vorgelegt wurden. Nach dem mehrstündigen, "sehr konstruktiven Gespräch", so Liese, habe Knoblach erklärt, aus seiner Sicht bestünde "kein Misstrauen, dass die Berechnungen falsch seien", auch ein weiterer Termin sei nicht nötig.

Die Diskussion im Gremium war sehr sachlich. Ulrike Schneider (Zukunft./ödp) wollte wissen, in welcher Form neue Rahmenbedingungen wie höhere Benzinpreise angesichts der Klimakrise oder 365-Euro-Ticket das Fahrgast-Potenzial beeinflussen könnten.
Einen Prognose-Horizont 2035 gibt es tatsächlich nicht. Florian Liese betonte aber: "Wir sagen nicht, dass die Bahnstrecke abgebaut werden muss." Entsprechende Schlussfolgerungen müssten die politischen Gremien entscheiden. Es sei Aufgabe der BEG gewesen, ein Gutachten gemäß den geltenden Kriterien für eine Reaktivierung zu erstellen. "Die Aussage des Gutachtens ist, dass die Kriterien unter den jetzigen Rahmenbedingungen nicht erfüllt werden."

Florian Dittert (CSU) sprach die Frage an, ob ein Anschluss der Strecke an den Kitzinger Hauptbahnhof mit einer neuen Mainbrücke das Potenzial erheblich steigern würde. Das verneinten die Gutachter, denn sie haben schon unter dieser Prämisse ihre Zahlen ermittelt. Ob es diese Brücke, die dafür sorgen würde, dass die Steigerwaldbahn an die Strecke Würzburg - Nürnberg angebunden wäre, jemals gibt, ist völlig offen. Das Thema Güterverkehr wie von Adi Schön (Freie Wähler) angesprochen, war nicht Teil des Auftrags – geprüft wurde nur das Potenzial für Personenverkehr.

Kritik gab es von Frank Firsching (Linke) an der Methodik: "Sie beurteilen mit Instrumenten aus der Vergangenheit Perspektiven für die Zukunft." Die von den Linken schon einmal vorgeschlagene S-Bahn-Verlängerung der Steigerwaldbahn durch die Stadt war natürlich nicht Teil der Prüfung der BEG. Florian Liese wies auch auf einen Zielkonflikt am Schweinfurter Hauptbahnhof hin: Hier müsse die Fahrtrichtung geändert werden, um dann noch die Bahnhöfe Schweinfurt Mitte und Stadt anzufahren. Das dauere zu lange, weswegen man eher davon ausgehe, dass die Steigerwaldbahn ein Zubringer für den überregionalen Verkehr sei.