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Würzburg: Alte Mythen und Bräuche: Warum die Rauhnächte wieder im Trend liegen

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Alte Mythen und Bräuche: Warum die Rauhnächte wieder im Trend liegen

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    Die Raunächte als geheimnisvolle Zeit zwischen der Wintersonnenwende und dem Beginn des neuen Jahres beflügeln seit Jahrhunderten die Fantasie und Spiritualität der Menschen.
    Die Raunächte als geheimnisvolle Zeit zwischen der Wintersonnenwende und dem Beginn des neuen Jahres beflügeln seit Jahrhunderten die Fantasie und Spiritualität der Menschen. Foto: Getty Images

    Die Tage zwischen Weihnachten und dem beginnenden neuen Jahr erleben viele als eine besondere Zeit. Zu einer Rückschau aufs alte Jahr kommt die Ungewissheit, wie das nächste Jahr werden wird. Das kann Hoffnung und Zuversicht hervorrufen, aber auch für Ängste und Unsicherheiten sorgen. In diese Zeit "zwischen den Jahren" fallen die Raunächte – die in den vergangenen Jahren immer mehr zum Trendthema geworden sind. Um was es bei den Raunächten geht und was man auch heute aus ihren Bräuchen und Ritualen ziehen kann, erklärt die Würzburger Religionswissenschaftlerin Ruth Kunzmann.

    Was sind die Raunächte und wann finden sie statt?

    Die Raunächte, auch Rauchnächte, Rauhnächte oder Losnächte genannt, sind Nächte um den Jahreswechsel, denen im europäischen Brauchtum eine besondere Bedeutung zugemessen wird. Es handelt sich um zwölf Nächte, erklärt Ruth Kunzmann – die erste beginnt am 24. Dezember um Mitternacht, die letzte endet am 5. Januar um Mitternacht. In einigen Überlieferungen fangen die Raunächte schon zur Wintersonnenwende am 21. Dezember an und enden am 1. Januar. Die Zeit um die Wintersonnenwende, also den kürzesten Tag des Jahres, sei mythisch sehr aufgeladen, so Kunzmann. "Man sagt, dass die Sonne dann wieder die Dunkelheit besiegt."

    Die Würzburger Religionswissenschaftlerin Ruth Kunzmann hat sich intensiv mit den Raunächten beschäftigt.
    Die Würzburger Religionswissenschaftlerin Ruth Kunzmann hat sich intensiv mit den Raunächten beschäftigt. Foto: Silvia Gralla

    Warum sind es genau zwölf Nächte?

    Dies geht auf den Übergang vom Mond- zum Sonnenkalender zurück. Das Mondjahr hat nur 354 Tage und ist damit kürzer als das Sonnenjahr. Übrig blieben zwölf Nächte, die nicht wirklich zuordenbar seien und denen deshalb mythische Kräfte zugesprochen würden, so Kunzmann. In dieser Zeit, so glaubte man, seien die Gesetze der Natur außer Kraft gesetzt und Grenzen zu anderen Welten würden sich öffnen.

    Wo liegt der Ursprung der Raunächte und was ist ihre Bedeutung?

    Die Ursprünge liegen laut Kunzmann sehr lange zurück. Da damals alles mündlich überliefert wurde, ist von den Ritualen der frühen Raunächte kaum etwas bekannt. Geblieben sind Traditionen, die von Dorf zu Dorf unterschiedlich sein können. "Die bekanntesten in Deutschland gibt es im Voralpenraum", sagt Kunzmann. Dort finden zur Weihnachtszeit zum Beispiel sogenannte "Perchten-Läufe" statt: Dabei ziehen die Sagengestalt Frau Percht und ihr Gefolge in Pelze gehüllt, mit gruseligen Tiermasken und umgehängten Glocken durch die Dörfer, um den Winter auszutreiben.

    Warum interessieren sich aktuell wieder so viele Menschen für die Raunächte?

    Die Raunächte finden in den dunkelsten Zeiten statt. Damals waren die Menschen Wind und Wetter ausgeliefert – Rituale und Bräuche rund um diese Nächte sollten Halt geben und das Schicksal positiv stimmen. Heute sei es eher die aktuelle Lage der Welt, die die Menschen zur Beschäftigung mit Raunächten bringe, vermutet Kunzmann. Wenn eine Krise die nächste jagt, hätten Menschen vermehrt die Sehnsucht, das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen, Kontrolle darüber zu gewinnen und eine positive Zukunft zu haben. Zudem schwinde im Alltag vieler die Bedeutung von Religionen, die früher oft Ängste und Unsicherheiten der Menschen aufgefangen hätten.

    Was sind die gängigsten Rituale?

    Rund um die Raunächte gibt es zahlreiche Rituale und Bräuche. Räuchern sei das wohl bekannteste Ritual, so Kunzmann: "Im Rauch sehen einen die Geister und Dämonen nicht, sie können einem nichts Böses antun und werden durch den Rauch vertrieben." Dies sei später auch im Christentum übernommen worden, beim Räuchern mit Weihrauch. Zu den wichtigsten Raunächten zählen die Thomasnacht auf den 21. Dezember sowie die Nächte vor Weihnachten, vor Silvester und vor dem Dreikönigstag. In diesen Nächten hätten früher viele Menschen ihre Wohnungen und Ställe ausgeräuchert, um sie so vor Dämonen zu schützen.

    Welche Rituale gibt es noch?

    Man sagt, dass jede der zwölf Nächte für einen Monat des kommenden Jahres steht. Manche glauben, dass das, was man in den Nächten träumt, im nächsten Jahr im entsprechenden Monat auch passiert, so Kunzmann. Dann gibt es noch den "Zwiebelkalender" mit zwölf Zwiebelschalen, wobei jede Schale einem Monat zugeordnet wird. Die Schalen werden auf einen Teller gelegt, gesalzen und über Nacht stehen gelassen. Je nach Flüssigkeitsmenge weiß man dann, ob der jeweilige Monat im nächsten Jahr regnerisch wird oder nicht. Auch Bleigießen, nicht nur an Silvester, ist ein beliebtes Raunacht-Ritual, ebenso wie das Böllern an Silvester, um die bösen Geister zu vertreiben. Zahlreiche Rituale der Raunächte orientierten sich vorrangig an der Realität von damals, erklärt Kunzmann. Vieles drehe sich um Landwirtschaft, weil die Menschen davon abhängig waren.

    Warum gab es für die Zeit der Raunächte früher auch Arbeitsverbote?

    Um die als eisige Winde übers Land fegenden Geister und Dämonen nicht zu erzürnen oder ans eigene Haus zu binden, haben sich Menschen früher an einige Verbote gehalten, die manche auch heute noch befolgen. Zum Beispiel heißt es, dass während der Raunächte keine Wäsche hängen darf – damit sich keine bösen Geister darin verfangen. Um "Unwesen" nicht auf sich aufmerksam zu machen, seien außerdem laute Arbeiten wie das Dreschen von Getreide verboten gewesen, sagt Kunzmann.

    Wie kann man die Bedeutung der Raunächte auf die heutige Zeit übertragen?

    "Die Raunächte zeigen uns, dass es für die Menschen schon immer wichtig war, Zeiten zu haben, in denen sie ruhen können", so Kunzmann. Man könne die Raunächte als Einladung zu Unterbrechung und Entschleunigung nehmen. Für die Legitimation, einmal nichts zu tun, seien schon immer Mythen und Religionen herangezogen worden. Sie hätten die Kraft, Menschen zum Innehalten zu bringen. "Es ist wichtig, eine Zweiteilung von Alltag und besonderen Tagen zu haben", sagt Kunzmann. Oft gehe dies verloren, weil der christliche Sonntag von vielen als Alltag gesehen würde. "Jeder sollte regelmäßig zur Ruhe kommen – nicht, weil man dann wieder besser arbeiten kann, sondern weil jeder es wert ist, Ruhe zu bekommen."

    Ruth Kunzmann hat an der Universität Würzburg Religionswissenschaften, Philosophie, Katholische Theologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Aktuell promoviert sie dort zum Thema "Religiöse Ruhe". Im Studium wurde sie auf das Thema Raunächte aufmerksam und hat dazu bereits Vorträge gehalten.

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