Die Corona-Pandemie sorgt für Verunsicherung – erst recht bei Menschen mit Erkrankungen sowie bei Schwangeren. In einer gemeinsamen "Corona-Sprechstunde" von Main-Post-Akademie und Uniklinikum Würzburg gaben fünf Medizin-Experten über mehrere Stunden Auskunft. Hier die wichtigsten Fragen von Teilnehmern - und die Antworten der Spezialisten.
Thema 1: Herz und Kreislauf

Ich habe wegen der Ansteckungsgefahr Angst, in die Notaufnahme zu gehen. Was soll ich machen, wenn ich Beschwerden bekomme, die auf einen Herzinfarkt hindeuten?
Prof. Stefan Frantz (Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik I): Das Risiko einer Ansteckung an SARS-CoV-2 ist extrem gering in der Klinik. Und das Risiko schwerwiegender Folgen durch Herzkreislauferkrankungen ist viel höher als das durch eine Covid-19-Erkrankung. Kontaktieren Sie deshalb wie bisher unbedingt den Notarzt, wenn Sie Sorge haben, einen Herzinfarkt zu erleiden. Auch bei anderen Herzkreislauferkrankungen sollten Sie wie bisher professionelle Hilfe suchen – bei Hausarzt, Facharzt oder Klinik.
Stimmt es, dass Herzkreislauf-Medikamente das Risiko einer SARS-Cov-2 -Infektion erhöhen können. Soll ich deshalb bestimmte Medikamente (ACE-Hemmer) momentan nicht einnehmen?
Frantz: Hierzu gab es eine Diskussion im März. Wir haben in der Zwischenzeit aber viel gelernt und aus Studien bisher keinerlei Hinweis, dass sich die Einnahme von ACE-Hemmern auf eine Covid-19-Erkrankung auswirken könnte. Es ist wichtig, dass Sie Ihre Herzkreislauf-Medikamente unverändert weiter einnehmen. Die Medikamente führen zu einem längeren bzw. besseren Leben bei Herzkreislauferkrankungen.
Soll ich mich bei einer Herzerkrankung gegen Grippe impfen lassen?
Frantz: Eine Grippeschutzimpfung wird bei Herzkreislauferkrankten stark empfohlen. Einige Studien konnten zeigen, dass die Grippeschutzimpfung genau so viele Herzinfarkte verhindern kann, wie wenn man aufhört zu rauchen.

Thema 2: Krebserkrankungen
Darf ich an Weihnachten trotz Chemo meine drei Enkelkinder sehen und was sollte man beachten?
Prof. Hermann Einsele (Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II): Gleichzeitig dürfen nur Enkel aus einem Haushalt getroffen werden. Sie sollten keine Zeichen einer Infektion aufweisen, Oma und Opa sollten eine FFP2-Maske tragen. Das Beste wäre, die Enkel auf Corona zu testen, bevor sie die Großeltern sehen. In Tübingen hat man damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Ältere Menschen werden dort mit FFP2-Masken ausgestattet, die Besucher mit einem Schnelltest geprüft und nur vorgelassen, wenn sie negativ getestet sind. Damit hat man mehr oder minder komplett die Übertragung von Coronavirus-Infektionen auf ältere Menschen verhindern können.
Führt meine Erkrankung, ein Leber-Tumor, zu einer erhöhten Immunschwäche und damit zu einem höheren Ansteckungsrisiko für Corona? Sollte ich mich impfen lassen oder sind negative Wechselwirkungen mit dem Medikament Sandostatin zu befürchten?
Einsele: Mit dem Alter von 66 Jahren, männlich und einer aktiven Tumorerkrankung gehören Sie tatsächlich zu der Hochrisikogruppe. Aufgrund des Medikamentes und der Grunderkrankung ist nicht von einem geringeren Erfolg der Impfung auszugehen. Eine Interaktion des Impfstoffes mit Sandostatin LAR besteht nicht. Kurzum: Sie sollten sich unbedingt impfen lassen!

Wie wahrscheinlich ist ein schwerer Verlauf der Covid-Erkrankung bei der Vorerkrankung Krebs? Welchen Schutz muss der Arbeitgeber einem Risikopatienten mit Krebserkrankung gewähren?
Einsele: Bei Patienten mit einer Krebserkrankung ist tatsächlich ein schwerer Verlauf von Covid häufig. Die Schutzmaßnahmen sollten aber für alle gleich sein, d.h. Einhaltung der AHA-Regeln, wenn möglich Homeoffice, Tragen von geeigneten Masken. Durch FFP2-Masken kann das Risiko noch weiter minimiert werden.

Thema 3: Schwangerschaft und Geburt
Wird eine Impfung gegen Covid bei Kinderwunsch, in der Schwangerschaft oder in der Stillzeit empfohlen?
Dr. Monika Rehn (Oberärztin Frauenklinik, Bereichsleiterin Geburtsmedizin): Perspektivisch dürfte eine Impfung wohl für fast alle Menschen empfohlen werden. Aktuell gilt das zunächst für Angehörige einer Risikogruppe. Bei jungen Frauen, in der Schwangerschaft, kurz nach der Geburt oder auch bei den Neugeborenen ist bisher keine Häufung schwerer Verläufe von Covid-19 beobachtet worden. Daher werden sie voraussichtlich nicht zu den ersten gehören, die geimpft werden können. Eine Impfung gegen Influenza (Grippe) wird dagegen für Schwangere eindeutig empfohlen.
Wie kann ich mich aktuell in der Uniklinik zur Geburt anmelden - und wann am besten?
Rehn: Alle Schwangeren, bei denen der Schwangerschaftsverlauf unauffällig war und bei denen kein geburtshilfliches Risiko besteht, können sich aktuell nur telefonisch anmelden. Die Informationen etwa zu benötigten Dokumenten, einen Anamnesebogen zum Herunterladen und die Telefonnummer der Schwangerenambulanz sind auf unserer Homepage (www.ukw.de/frauenklinik) zu finden. Eine frühzeitige Anmeldung (spätestens vier bis sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin) ist sinnvoll. Ihre Frauenärztin, Ihr Frauenarzt oder Ihre Hebamme können Sie beraten, ob eine frühere Anmeldung oder eine persönliche Vorstellung notwendig ist.
Kann bei der Geburt eine Begleitperson dabei sein?
Rehn: Die Anwesenheit einer gesunden Begleitperson während der Geburt ist möglich und sinnvoll. Die Begleitperson trägt einen Mund-Nasenschutz und wird über die besonderen Regeln zum Beispiel zur Händehygiene im Krankenhaus informiert. Wir möchten erreichen, dass sich die werdende Mutter während der besonderen Situation, die die Geburt bedeutet, optimal betreut und begleitet fühlt – auch und gerade jetzt in den Zeiten der Pandemie.

Thema 4: Psychische Erkrankungen
Was können wir für Menschen mit psychischen Erkrankungen in der Pandemie tun?
Prof. Jürgen Deckert (Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie): Die Bedürfnisse von Menschen mit psychischen Erkrankungen sind dieselben wie die von Menschen ohne psychische Erkrankungen. Im Hinblick auf die psychische Gesundheit brauchen auch sie Solidarität und soziale Kontakte. Diese fehlen allerdings vielen im Rahmen der Erkrankung auch außerhalb der Pandemie, von daher sind sie besonders verletzlich. Hier können wir alle, jeder in seinem Umfeld, noch viel tun, auch nach der Pandemie.
Was können an Covid-19 Erkrankte gegen Angst- und Panikattacken als Langzeitfolge tun?
Deckert: Hilfreich können bei weiterbestehender körperlicher Beeinträchtigung Entspannungsverfahren wie Imagination, Autogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation sein. Bei weitgehender körperlicher Erholung ist es wichtig, das Leben wieder aufzunehmen und möglichst wenig zu vermeiden. Bei schweren Angsterkrankungen ist professionelle Hilfe angezeigt. Wie viele andere psychische Erkrankungen sind Angsterkrankungen im Prinzip gut zu behandeln.
Wie vermittle ich den Großeltern, dass die Enkel sie an Weihnachten nicht besuchen wollen, um sie nicht anzustecken?
Deckert: Hier ist es wichtig zu klären, was die Großeltern wirklich wollen. Viele sind am Lebensende bereit, auch eine Ansteckung in Kauf zu nehmen, wenn sie die Enkelkinder oder überhaupt die Familie noch einmal sehen können. Wenn dies ihr Wunsch ist, sollten die Angehörigen prüfen, wie ein Besuch möglichst risikoarm im Rahmen der gesetzlichen Regeln möglich ist, zum Beispiel durch vorheriges Testen der Besucher, FFP2-Masken, ausreichend Abstand. Vielleicht kann man auch Alternativen nutzen wie digitale Medien und Telefonieren. Letztlich ist es eine sehr individuelle Entscheidung jeder Familie.

Thema 5: Hygiene
Wie lange überleben Coronaviren auf Türklinken?
Prof. Ulrich Vogel (Leiter Krankenhaushygiene am Uniklinikum): Abhängig von den Umgebungsbedingungen können die Viren bis zu zwei Tagen stabil bleiben. Hohe Temperaturen und Lichteinstrahlung reduzieren die Stabilität. Die Übertragung durch Tröpfchen und Aerosole aus dem Atmungstrakt ist wesentlich bedeutender als die Kontamination zum Beispiel der Hände an solchen Oberflächen. Dennoch werden in Krankenhäusern Oberflächen, die regelmäßig angefasst werden, nach festgelegten Zeiträumen immer wieder desinfiziert. Generell ist regelmäßiges Händewaschen wichtig, damit man sich mit kontaminierten Händen nicht ins Gesicht fasst oder Lebensmittel berührt. Außerhalb des Krankenhauses ist eine Reinigung von Oberflächen ohne Desinfektion ausreichend.
Kann man sich beim ICE-Fahren durch die Klimaanlage infizieren?
Vogel: Entscheidend ist in klimatisierten Räumen vor allem, dass die Luft regelmäßig ausgetauscht wird. Dies ist in ICEs der Fall, die Luft wird je nach Personenzahl fast zehn Mal stündlich ausgetauscht. Maske tragen, Händehygiene und diese hohe Luftwechselrate machen das Zugfahren sicher, wenn die Züge nicht überfüllt sind.
Ist am Gerücht, dass man sich durch die Covid-Impfungen mit den Viren infizieren kann, etwas dran?
Vogel: Nein, das ist nicht möglich. Keiner der Impfstoffe, die derzeit entwickelt werden, beruht auf einem Lebendimpfstoffprinzip wie zum Beispiel bei der Masernimpfung. So besteht der Impfstoff von Pfizer und BioNTech aus Erbsubstanz für einen Eiweißstoff. Die Erbsubstanz, die RNA, wurde speziell verpackt, damit sie in die Muskelzellen eintreten kann. Dort wird sie genutzt, um das Eiweiß, gegen das eine Immunantwort entstehen soll, zu bilden. Nach einer Weile wird die RNA abgebaut, es bleibt nichts von ihr übrig. Aus so einem Impfstoff kann im Körper kein vollständiges Virus entstehen.