Sie hören Stimmen, die es nicht gibt. Sehen Personen, die nicht existieren. Fühlen sich beobachtet oder verfolgt von Menschen, die ihnen nichts Böses wollen. "Psychotische Patienten erleben die Welt als bedrohlich", sagt Dominikus Bönsch, der Leiter des Bezirkskrankenhauses Lohr. Interessiere sich ein Bekannter für das, was der Psychotiker tue, glaube der Patient, er werde aussspioniert. Funktioniere ein Gerät nicht, sei der Psychotiker überzeugt, jemand habe das Teil absichtlich zerstört. Typisch für eine Psychose sei das Gefühl, dass Selbst und Umwelt nicht zu trennen seien.
500 bis 600 Patienten mit Psychosen pro Jahr im Bezirksklinikum Lohr. Häufige Ursache: Cannabis
Psychiatriechef Dominikus Bönsch sieht genauso wie Professor Hans-Peter Volz, Leiter des Bezirkskrankenhauses Werneck, letzter Zeit vermehrt Patienten mit akuten Psychosen. "Immer häufiger handelt es sich dabei gerade bei jüngeren Menschen um Psychosen, die durch Cannabis ausgelöst wurden", sagt Bönsch. Rund 500 bis 600 psychotische Patienten werden laut Bönsch pro Jahr stationär in Lohr aufgenommen. "Die Mehrzahl von ihnen hat vorher Cannabis konsumiert. Oder Cannabis plus andere Drogen." Aus Bönsch' Sicht kann man deshalb gar nicht oft und deutlich genug vor Cannabis-Konsum warnen. Denn Hasch ist nicht gleich Hasch.
Wenn Papa vor 25 Jahren mal einen Joint geraucht hat, dann war dieser Joint im Vergleich zu den Haschzigaretten, die heute konsumiert werden, Bönschs Einschätzung zufolge harmlos. Der Anteil der psychoaktiven Substanz THC, die in Cannabis enthalten ist, ist nämlich im Verlauf der letzten Jahre extrem angestiegen. Verglichen mit Papas Haschzigaretten von vor zwanzig Jahren sei der THC-Gehalt in Haschzigaretten "zehn oder zwanzig mal so hoch", sagt Bönsch. Entsprechend gefährlicher sei der Konsum. Denn die Wahrscheinlichkeit, an einer Psychose zu erkranken, steige mit dem THC-Gehalt.
Bei vielen Psychose-Patienten bleiben Spätfolgen
Unterfrankens Psychiatriechefs erleben zwei Gruppen psychotischer Patienten nach Cannabis-Konsum: Die einen kommen mit einem Kurzaufenthalt in der Psychatrie und dem Schrecken davon; manchmal jedenfalls. Die anderen erholen sich nie. Die einen -das sind laut Berichten der Psychiatriechefs junge Leute, die "oft nach einmaligem Mischkonsum" mit einer akuten Psychose in die Klinik kommen und nach ein paar Tagen mit guten Ratschlägen und Neuroleptika in der Tasche entlassen werden können. Die anderen - das sind jene, die über einen längeren Zeitraum kiffen,über Monate, vielleicht Jahre. Trete dann eine Psychose auf, sei es möglich, dass sie nicht mehr geheilt werden könne. Der Wernecker Klinikleiter weist allerdings darauf hin, dass gerade Männer, die nach Cannabis-Konsum eine schizophrene Psychose entwickeln, diese möglicherweise auch ohne Cannabis bekommen hätten. "Allerdings erst später", sagt Volz. Therapierbar seien schiziphrene Psychosen nicht immer. Spätschäden wie schlechte Konzentrationsfähigkeit, Depressionen, Antriebsmangel und wahnhafte Störungen könnten auftreten, heißt es.

Die Gefahr von Psychosen nach Konsum von stark THC-haltigem Cannabis treibt nicht nur unterfränkische Psychiater um. Die im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums erarbeitete und 2018 veröffentlichte Studie CaPRisdokumentiert, dass Psychosen unter Cannabis-Nutzern dreimal so häufig auftreten wie in der Allgemeinbevölkerung. Entwickeln rund ein bis zwei Prozent der Allgemeinbevölkerung Psychosen, sind es bei Cannabis-Nutzern also bis zu sechs Prozent.