Der Segen für homosexuelle und "irreguläre" Paare, den der Vatikan jetzt erlaubt, bewegt weiter die Gemüter. Kurz vor Weihnachten hatte die Erklärung der vatikanischen Glaubensbehörde kontroverse Reaktionen ausgelöst. "Fiducia supplicans", zu Deutsch etwa "Das flehende Vertrauen", stieß in konservativen Kreisen der Weltkirche auf heftige Ablehnung.
Vor allem der neue Chef der Glaubensbehörde in Rom, Kardinal Victor Fernandez, wurde massiv angegriffen. Der 61-jährige Argentinier leitet seit September 2023 das Dikasterium im Vatikan. Die aktuelle Kritik an ihm entzündete sich nicht nur am Inhalt der Erklärung und zu der am 4. Januar veröffentlichten Erläuterung zur Segens-Erlaubnis. Es geht auch um zwei Bücher, die Fernandez als junger Priester schrieb: über das Küssen sowie über Spiritualität und Orgasmen. Seither wird er angefeindet und erhält Drohbriefe.

Verwunderung und Verwirrung sind jedenfalls groß, Verärgerung und Zorn in der Welt auch. Wegen der Kritik an "Fiducia supplicans" sah sich der Vatikan zu einer nachträglichen Erläuterung gezwungen. Doch um was geht es eigentlich? Was steht hinter der offiziell erlaubten Segnung gleichgeschlechtlicher Paare? Die wichtigsten Punkte im Überblick.
1. Wer darf nun laut der vatikanischen Erklärung gesegnet werden?
Erstmals dürfen laut der Erklärung Paare in "irregulären Situationen" sowie gleichgeschlechtliche Paare gesegnet werden, aber nur unter bestimmten Bedingungen.
2. Was versteht die katholische Kirche unter Paaren in "irregulären Situationen"?
Damit versteht die katholische Kirche Menschen, die unverheiratet als Paar zusammenleben oder die geschieden und wiederverheiratet sind. In der nachträglichen Erläuterung der Glaubensbehörde steht, dass mit einer Segnung nicht der Status offiziell konvalidiert, also anerkannt und für gültig erklärt wird. Die bestehende Lehre der Kirche über die Ehe bleibt unverändert.
3. Was versteht die katholische Kirche unter "Ehe"?
Die katholische Kirche versteht unter einer Ehe die "ausschließliche, dauerhafte und unauflösliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau, die von Natur aus offen ist für die Zeugung von Kindern". Nur in diesem Zusammenhang seien sexuelle Beziehungen sittlich erlaubt und würden ihren natürlichen, angemessenen und vollständig menschlichen Sinn finden, heißt es in der Erläuterung zur Segnungerlaubnis.

4. Wann, wie und wo darf gesegnet werden?
Priester dürfen nun gleichgeschlechtliche und "irreguläre" Paare nebenbei segnen, im Vorübergehen. Nicht zugelassen sind Segnungen innerhalb eines liturgischen Ritus und "niemals im direkten Zusammenhang mit einer standesamtlichen Feier". Die Segnungen seien "keine Bestätigung der Lebensführung" oder eine Beglückwünschung, dass die Kirche diese Art von Verbindung gutheißt. Segnungen dürfen zudem "nicht an einem wichtigen Platz in der Kirchengebäude oder vor dem Altar stattfinden". In der Erläuterung heißt es auch: "Segnungen aus pastoraler Fürsorge" sollten vor allem sehr kurz sein, "eine Angelegenheit von 10 oder 15 Sekunden".
5. Was ist der Grund für diese Art von Segnung?
Die Segnungen im Vorübergehen seien "einfache Ausdrucksformen pastoraler Nähe", heißt es in der Erläuterung. "Wir können dem Volk Gottes helfen zu entdecken, dass diese Art von Segnungen nur einfach pastorale Mittel sind, die den Menschen helfen, ihren Glauben zu manifestieren, auch wenn sie große Sünder sind."

6. Was ist die Hauptkritik an der Erklärung und Erläuterung des Vatikans?
Zur Erklärung und der nachträglichen Erläuterung gibt es kritische Stimmen. Für den Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose machen "die vielen Einschränkungen, die mit dem Segen verbunden sind" deutlich: "Queere Menschen bleiben auch mit dieser Erklärung in ihrem Leben und ihren Beziehungen Menschen zweiter Klasse." Robert Sarah, emeritierter Kurienkardinal aus Guinea (Westafrika), bezeichnet die Erklärung als Häresie, als Irrlehre. Für andere ist sie blasphemisch, also gotteslästerlich. Oder überraschend revolutionär.

Der Würzburger Theologe und Psychotherapeut Wunibald Müller findet es erstaunlich, "dass jemand, der so offen und positiv über das Küssen und sexuelle Erfahrungen schrieb, jetzt Präfekt der Glaubenskongregation ist." Das sei ein "deutliches Zeichen dafür, dass sich da etwas grundsätzlich verändert hat". Auch Müller hat vor über 20 Jahren ein Buch übers Küssen geschrieben: "Küssen ist beten. Sexualität als Quelle der Spiritualität". Darin habe er ähnliche Gedanken vorgetragen, wie sie der jetzige Glaubenshüter im Vatikan als junger Priester veröffentlichte. Von Müller sei damals verlangt worden, dass er den Titel ändert.

In einem Interview im italienischen Fernsehen forderte Papst Franziskus jetzt, Zweifel über den nun erlaubten Segen offen zu formulieren und in "eine brüderliche Diskussion" einzutreten. Laut Vatican News sagte er: "Der Herr segnet alle, alle, alle, die kommen."