Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Lokalsport Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

Steilpass: Ein Organspender rettete dem Aidhäuser Fußballer Marco Bulheller das Leben: "Ein Wunder, dass ich nicht auf dem Sportplatz kollabiert bin"

Steilpass

Ein Organspender rettete dem Aidhäuser Fußballer Marco Bulheller das Leben: "Ein Wunder, dass ich nicht auf dem Sportplatz kollabiert bin"

    • |
    • |
    Marco Bulheller ist Fußball-Trainer beim TSV Aidhausen
    Marco Bulheller ist Fußball-Trainer beim TSV Aidhausen Foto: Lukas Kalnbach

    8400 Menschen stehen in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Acht Jahre lang war dort auch Marco Bulhellers Name zu finden. Der Fußballer aus Aidhausen litt an einer Herzmuskelschwäche. Eine Transplantation rettete sein Leben. Im Interview spricht der 31-Jährige darüber, wie falscher Ehrgeiz die Erkrankung verursacht haben könnte, weshalb die Regeln der Organspende dringend geändert werden müssen und wie es ihm heute geht.

    Wer hat Sie angespielt?

    Marco Bulheller: Mit Björn Schönwiesner verbindet mich unsere Jugendzeit beim TSV Großbardorf. Noch heute ist er ein sehr guter Freund, auch wenn er in Bamberg lebt und dort Regionalliga spielt. Als es mir gesundheitlich nicht gut ging, hat er sich immer wieder gemeldet. Leider sehen wir uns nur einmal im Jahr, wenn sich die damalige Großbardorfer Jugendmannschaft an Weihnachten trifft.

    Wie war Ihr Laufweg?

    Bulheller: Ich bin schon mit dreieinhalb Jahren beim TSV Aidhausen dem Ball hinterhergelaufen und mit 14 nach Großbardorf gewechselt. Dort stand ich eine Saison im Kader der ersten Mannschaft, bekam meine Einsätze als Innenverteidiger aber vor allem in der Reserve, weil ich durch mein Studium in Bayreuth nicht komplett trainieren konnte. Daraufhin habe ich mich dem TSV Forst angeschlossen, doch dann erhielt ich mit 20 Jahren die Diagnose, dass ich eine fortgeschrittene Herzmuskelschwäche habe. Damit war auf einen Schlag meine aktive Laufbahn beendet.

    Und mit einem Mal Ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt?

    Bulheller: In der Tat. Das war ein Schock. Es hatte zuvor keine Anzeichen gegeben, dass etwas nicht stimmt. Ich bin wegen einer Pollenallergie zu einem Lungenarzt gegangen. Nachdem er mein Herz abgehört hatte, durfte ich nicht mal mehr nach Hause und wurde mit dem Rettungswagen sofort nach Bad Neustadt ins Krankenhaus gefahren. Mein Zustand war so schlecht, dass ich einen Monat später zur Unterstützung ein batteriebetriebenes Kunstherz eingesetzt bekam. Die Akkus habe ich in einem Rucksack mit mir herumgetragen.

    Wie konnte es in dem jungen Alter zu so einer Erkrankung kommen?

    Bulheller: Die Ursache ließ sich nie eindeutig feststellen. Ein halbes Jahr zuvor war ich eine Woche mit einer fiebrigen Grippe flachgelegen. Obwohl ich noch Husten hatte, bin ich wieder zum Training gegangen. Das war ein Fehler. Sehr wahrscheinlich war eine verschleppte Herzmuskelentzündung der Auslöser. Die linke Herzhälfte hatte nicht mehr die Kraft, genug Blut in den Kreislauf zu pumpen. Das ließ sich weder mit Medikamenten noch durch eine Operation beheben. Meine Werte waren extrem schlecht. Die Ärzte konnten sich nicht vorstellen, dass ich noch Fußball gespielt habe. Es sei ein Wunder gewesen, dass ich nicht auf dem Sportplatz kollabiert bin.

    Marco Bulheller (links) zu seiner aktiven Zeit beim TSV Großbardorf.
    Marco Bulheller (links) zu seiner aktiven Zeit beim TSV Großbardorf. Foto: Madrenas

    Dass Sie ab diesem Zeitpunkt keinen Sport mehr treiben durften, war wohl das geringere Übel.

    Bulheller: Es hat mir extrem wehgetan, Fußball zu schauen, weil ich selbst nicht mehr mitmachen konnte. Von heute auf morgen ist ein Teil meines Lebens weggebrochen. Ich habe bewusst die Sportplätze gemieden. Ich saß zu Hause und habe auf ein Spenderherz gewartet.

    Wie haben Sie diese Zeit ausgehalten?

    Bulheller: Das Traurige in Deutschland ist, dass es sehr lang dauert und man trotzdem nicht weiß, ob man ein Spenderorgan bekommt. Daran hängt das eigene Leben. Das hat mich zeitweise sehr belastet. Im Hinterkopf hatte ich immer die Aussage der Ärzte, dass das provisorische Kunstherz vielleicht fünf bis sechs Jahre hält. Bis zu meiner Transplantation sind acht Jahre vergangen, in denen ich zum Glück keine Komplikationen hatte und nicht ins Krankenhaus musste, wodurch sich aber meine Wartezeit weiter verlängert hat. Der Berufsalltag hat mir geholfen, mich abzulenken. Ich habe währenddessen auch einige Fernreisen unternommen und war als Dortmund-Fan oft im Stadion.

    Bis unverhofft die Nachricht kam, dass es ein Spenderherz für Sie gibt?

    Bulheller: An einem Samstagmorgen im Mai 2021 erhielt ich den erlösenden Anruf. Eine Stunde später wurde ich mit einem Helikopter ins Herzzentrum nach Bad Oeynhausen in Nordrhein-Westfalen geflogen, damit am Nachmittag die fünfstündige Operation beginnen konnte. Nach der Transplantation lag ich vier Wochen im Krankenhaus. Als ich heimkam, bin ich noch am selben Tag auf den Aidhäuser Sportplatz gegangen, um ein Spiel anzuschauen.

    "Ich bin diesem Menschen unendlich dankbar und denke jeden Tag an ihn."

    Marco Bulheller

    Sie leben, weil ein anderer gestorben ist, der zuvor der Organspende zugestimmt hatte.

    Bulheller: Ich bin diesem Menschen unendlich dankbar und denke jeden Tag an ihn, vor allem in besonderen Momenten, etwa bei meiner Reise zum diesjährigen Champions-League-Finale in London. Ich bin mir immer bewusst, dass ich solche Augenblicke ohne den Spender nicht mehr erleben würde. Wer er war, was ihm zugestoßen ist und wer seine Angehörigen sind, das werde ich nie erfahren.

    8400 Menschen in Deutschland warten auf ein Spenderorgan. Im Bundestag gibt es eine Initiative, dass künftig alle automatisch Organspender sein sollen, die zu Lebzeiten nicht widersprochen haben.

    Bulheller: Umfragen zufolge ist der Großteil der Bevölkerung für die Widerspruchslösung. Dann ist jeder gezwungen, sich Gedanken zu machen. Ich frage mich, warum die Politik diese gesetzliche Regelung nicht schon längst beschlossen hat. Schon heute sollte jeder einen Organspendeausweis haben. Dadurch erhält ein kranker Mensch die Chance auf ein neues Leben. Ich verurteile aber niemanden, der seine Organe nicht spenden möchte.

    Der TSV Aidhausen engagiert sich jedes Jahr mit einem Spendenlauf für die Stiftung „KinderHerz“. Als Transplantierter macht sich Fußballtrainer Marco Bulheller (links) in seinem Heimatverein für die Organspende stark.
    Der TSV Aidhausen engagiert sich jedes Jahr mit einem Spendenlauf für die Stiftung „KinderHerz“. Als Transplantierter macht sich Fußballtrainer Marco Bulheller (links) in seinem Heimatverein für die Organspende stark. Foto: Christian Günther

    Wie geht es Ihnen heute?

    Bulheller: Gut. Ich habe ein nahezu normales Leben und eine Perspektive für die Zukunft, auch wenn ich nicht weiß, wie lang das Spenderherz hält. Im ersten Jahr nach der Transplantation musste ich mich vor Infektionen schützen, weil mein Immunsystem heruntergefahren wurde, um das Herz nicht abzustoßen. Mittlerweile kann ich fast alles wieder machen. Selbst sportliche Aktivitäten sind möglich. Mein Körper hat das neue Herz gut angenommen. Ich muss zweimal am Tag Medikamente nehmen und darf nicht mehr alles essen. Das sind Einschränkungen, die ich gerne in Kauf nehme.

    Zu Ihrem neuen Leben gehört auch, dass Sie Trainer des TSV Aidhausen sind.

    Bulheller: Ich wollte wieder zum Fußball, der mir durch die Herzerkrankung jahrelang gefehlt hat. Ich habe das Gemeinschaftsgefühl und den Teamgeist in meinem Heimatverein vermisst, der sich jedes Jahr mit einem Spendenlauf für die Stiftung "KinderHerz" engagiert. Die Tätigkeit an der Seitenlinie macht riesigen Spaß. Es ist ein anderer Blick aufs Spiel im Vergleich zu meiner aktiven Zeit.

    Wie gut steckt Ihr Herz die Aufregung während einer Partie und den Ärger über eine Niederlage weg?

    Bulheller: Da ich nun ein funktionierendes Herz habe und die Ärzte mir den Trainerjob nicht verboten haben, gehe ich davon aus, dass mir ein Spiel nicht schadet. Die letzte Saison, als wir im Elfmeterschießen der Relegation den Klassenerhalt geschafft haben, war nervenaufreibend, aber nicht kontraproduktiv für meine Gesundheit. Mir sind unendlich viele Steine vom Herzen gefallen.

    Was macht die Karriere neben der Karriere?

    Bulheller: Während der Wartezeit auf das Spenderherz habe ich mein Studium der Betriebswirtschaftslehre erfolgreich abgeschlossen und in Vollzeit zu arbeiten begonnen. Seitdem bin ich in Würzburg bei Brose im Controlling beschäftigt, wo ich unter anderem Kostenkalkulationen und Monatsabschlüsse erstelle.

    Wen spielen Sie an?

    Bulheller: Ich gebe ab zu Tobias Burger. Seine sportliche Entwicklung finde ich beeindruckend. Er wurde nicht höherklassig ausgebildet. In der Aidhäuser Jugend hat er in der untersten Liga gespielt. Durch seinen Ehrgeiz hat er es in die Landesliga geschafft. Tobi war bester Torschütze des FC Sand und zeigt sein Können jetzt bei der DJK Schwebenried/Schwemmelsbach.

    Das Interview-Format "Steilpass"In unserem Interview-Format "Steilpass" übernehmen die Interviewten die Regie. Am Ende des Gespräches dürfen sie entscheiden, wer als Nächstes an der Reihe ist, von uns befragt zu werden – sie spielen also den nächsten Protagonisten oder die nächste Protagonistin an.cam

    Hier finden Sie weitere Steilpass-Interviews:

    Björn Schönwiesner: Die Schande von Bamberg? Das sagt der Bad Kissinger zum Manipulationsvorwurf in der Regionalliga-Relegation

    Christoph Schüller: "Ich musste aufpassen, nicht am Lenkrad einzuschlafen"

    Udo Braungart: "Ich war als Trainer der Felix Magath des Tischtennis"

    Christian Laus: Mit Mintal und Kießling in Nürnberg: Der Ex-Großbardorfer Christian Laus schnupperte als Amateur kurz am Profi-Fußball

    Daniel May: Egal ob Großbardorf oder Sömmersdorf II: Daniel May ist ein Torjäger für alle Ligen

    Oliver Kröner: Sechs Bundesliga-Spiele für Düsseldorf und zwei Lebensretter aus Gochsheim: Warum Oliver Kröner Demut und Dankbarkeit verspürt

    Suat Tuncer: Der Gochsheimer Suat Tuncer sichtet Talente für den Profifußball: "Ich notiere mir sogar, ob jemand bunte Schuhe trägt"

    Murat Akgün: Mit 45 noch Fußballer in der Kreisliga: Murat Akgün schiebt es auf die Gene – und auf einen Trainer"

    Michael Dellinger: "Ich bin ein Krieger, der nicht aufgibt": So wurde der Pausenhofkicker Michael Dellinger zum Star von nebenan

    Waios Dinudis: Als Waios Dinudis nur mit Polizeischutz das Stadion verlassen konnte

    Marcel Gerber: Marcel Gerbers Erinnerungen an die Insolvenz des FC 05 Schweinfurt und das Training bei Jürgen Klopp

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden