Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Weihnachtspostamt: Briefe aus 130 Ländern: Zu Besuch an dem Ort, wo das Christkind wohnt

Weihnachtspostamt

Briefe aus 130 Ländern: Zu Besuch an dem Ort, wo das Christkind wohnt

    • |
    • |
    Himmelstadt ist eine 1500-Einwohner-Gemeinde im unterfränkischen Landkreis Main-Spessart. Bekannt ist die Adresse: "An das Christkind, Kirchplatz 3, 97267 Himmelstadt".
    Himmelstadt ist eine 1500-Einwohner-Gemeinde im unterfränkischen Landkreis Main-Spessart. Bekannt ist die Adresse: "An das Christkind, Kirchplatz 3, 97267 Himmelstadt". Foto: Johannes Kiefer

    Auf den ersten Blick ist Himmelstadt wenig himmlisch. Kein pittoresker Altort, kein romantischer Marktplatz. Auch das Rathaus der 1500-Einwohner-Gemeinde im unterfränkischen Landkreis Main-Spessart erstrahlt nicht in hellem Lichterglanz. Auf himmlische Chöre kann man lange warten. Nur ein von Hand geschriebener Zettel an der Tür mit den Öffnungszeiten und zwei Schilder an der Hauswand weisen darauf hin: Hier hat die einzige Weihnachtspostfiliale Bayerns ihren Sitz. Hier beantworten also die „Helferinnen und Helfer des Christkinds“ Briefe aus aller Welt.

    Das soll er also sein? Der himmlische Wohnort des Christkinds, an den tausende Kinder Jahr für Jahr ihre Wünsche schicken? Und zwar: „An das Christkind, Kirchplatz 3, 97267 Himmelstadt“?

    Altbürgermeister Harald Führer sagt, dass Weihnachten in Himmelstadt eine große Rolle spiele. "Und darauf sind wir auch stolz. Sonst wären wir ja ein Ort wie jeder andere auch."
    Altbürgermeister Harald Führer sagt, dass Weihnachten in Himmelstadt eine große Rolle spiele. "Und darauf sind wir auch stolz. Sonst wären wir ja ein Ort wie jeder andere auch." Foto: Stefanie Koßner

    Seit 1986 gibt es die Weihnachtspostfiliale, doch schon davor trafen in der Gemeinde Wunschzettel ein. Viele Kinder denken sich nämlich: Nicht irgendwo, sondern in der „Stadt des Himmels“ muss das Christkind wohnen.

    Wenn Sie nur wüssten ... Nun, sie wären wohl enttäuscht. Das beginnt schon mit dem Ortsnamen. Der geht zurück auf die selige Immina, die im siebten und achten Jahrhundert Äbtissin in Würzburg und Karlburg war. „Und weil der Franke Wörter gerne verändert, wurde mit der Zeit aus Imminastadt Himmelstadt“, erklärt Bürgermeister Herbert Hemmelmann.

    Himmelstadt ist kein Ort wie jeder andere

    Geht ja gut los, diese Spurensuche. Die zum Glück jetzt zu Altbürgermeister Harald Führer führt, bei dem man sich fast wie im Weihnachtshimmel fühlen kann. Hinter der im Grunde unscheinbaren Hausfassade der Mainstraße 7 leuchtet und blinkt es, Weihnachtsdeko in Hülle und Fülle. Auch den Garten haben Harald Führer und sein Mann Frank festlich geschmückt. Am Haus hängen Stoffbahnen, im Sauerkirschbaum baumeln Geschenke. „Unser Motto in diesem Jahr ist Villa Kunterbunt“, erklärt Führer, der von 2002 bis 2012 Bürgermeister von Himmelstadt war. Seinen heutigen Mann habe er vor fünf Jahren geheiratet, erzählt der 61-Jährige. „Das ist nach wie vor etwas ungewöhnlich auf dem Dorf. Noch dazu als ehemalige Amtsperson.“ Nach seiner Amtszeit habe er das aber unbedingt öffentlich machen wollen, auch wenn er zunächst Bedenken gehabt habe. Es sei die richtige Entscheidung gewesen: „Die Leute hier lassen mich spüren, dass sie sich für uns freuen und das völlig normal ist.“

    Freuen können sich die Leute nicht nur zu Weihnachten über das Haus der beiden, das sie seit 2018 zu verschiedenen Anlässen für Besucherinnen und Besucher öffnen. Am Tag der offenen Gartentüre etwa oder zu den „Himmelstadter Weihnachtserlebnissen“, die sogar eine eigene Internetseite haben. Motto: „Das himmlische Vergnügen für die ganze Familie!“ Beworben wird vor allem der Weihnachtsmarkt rund um die Weihnachtspostfiliale, der sich „als einer der attraktivsten und schönsten der Region etabliert“ habe.

    Bereits im Oktober starten Harald Führer und sein Mann mit den Weihnachtsvorbereitungen. „Frank ist Florist und Gärtner und arbeitet in einem großen Bastelladen; er dekoriert sehr gerne. Für das Handwerkliche bin ich zuständig. Das ergänzt sich prächtig“, sagt er. Und dass Weihnachten in Himmelstadt eine große Rolle spiele. „Und darauf sind wir auch stolz. Sonst wären wir ja ein Ort wie jeder andere auch.“

    Antworten von Nikolaus, Christkind und Weihnachtsmann

    Wie jeder andere Ort ist Himmelstadt nicht. Aber wie mancher. Seit Jahren pflegt die Gemeinde Beziehungen zu den weiteren Weihnachtsorten in Deutschland. „Im ersten Jahr meiner Amtszeit hat mich überraschend der Brief einer Abgeordneten aus Norddeutschland mit einer Einladung in den Bundestag erreicht“, berichtet Führer. In deren Wahlkreis lag Himmelpforten. Nach Berlin kamen auch Vertreterinnen und Vertreter aus Sankt Nikolaus im Saarland oder Himmelpfort in Brandenburg. „Wir treffen uns seitdem alle zwei Jahre, mit der Zeit sind so echte Freundschaften entstanden.“ Der himmlische Name verbindet.

    Die Deutsche Post unterstützt – wie sie im Internet schön ausführt – sieben Weihnachtspostfilialen. Sie hat diese nach Weihnachtsmann (Himmelpfort, Himmelsthür), Christkind (Engelskirchen, Himmelpforten, Himmelstadt) und Nikolaus (Nikolausdorf, St. Nikolaus) geordnet. Dass Weihnachtsmann, Christkind und Nikolaus in Deutschland gleich mehrere Wohnsitze haben? Warum nicht! Wer ihnen schreibe, verspricht die Post, bekomme eine „persönliche Antwort“.

    Zum Beispiel von Rosemarie Schotte. Die 82-Jährige beantwortet in Himmelstadt mit insgesamt 40 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern Kinderbriefe und Wunschzettel im Namen des Christkinds. Seit 30 Jahren.

    Himmelstadt erreichen Briefe aus 130 Ländern

    Was auch immer man sich unter einer Weihnachtspostfiliale vorstellen mag – diese hier ist ein Zimmer gleich neben dem Eingang des Rathauses. Drinnen türmen sich gelbe Postkisten. Einsendeschluss war, laut Deutscher Post, sieben Tage vor Heiligabend, für Kindergärten und Schulen spätestens bis zum 15. Dezember 2022. Die Briefe sollen ja rechtzeitig zum Fest beantwortet werden. Die Weihnachtspostfiliale hat auch eine Telefonnummer, für Vereinbarungen und Fragen.

    „Himmelstadt und die Weihnachtspostfiliale gehören für mich einfach zusammen, das ist für mich das Himmlischste überhaupt hier“, sagt Rosemarie Schotte, auf deren Schreibtisch auf den ersten Blick Unordnung herrscht. Die 82-Jährige hat allerdings den genauen Überblick. Was nicht so einfach ist. In Himmelstadt treffen schließlich Briefe aus über 130 Ländern ein. Wie, wenn nicht mit himmlischer Hilfe, haben Kinder in Neuseeland oder Transsilvanien allerdings davon erfahren, dass ihre Wünsche in Unterfranken erhört werden könnten? Schotte vermutet dahinter weniger einen Wink des Himmels als Mundpropaganda. Und: „In Zeiten von Google findet man uns ja noch leichter.“

    Tatsächlich: Tippt man in die Suchmaschine die Frage ein „Wo wohnt das Christkind?“, kommt „Himmelstadt“ als Treffer. Übersetzt man die Frage ins Englische und gibt sie ein, wird das Ergebnis diffuser. Tippt man „Where does Santa Claus live?“, erscheint als Spitzentreffer das Weihnachtsmanndorf in Rovaniemi in Finnland. International hat Himmelstadt so gesehen noch Luft nach oben.

    Rosemarie Schotte beantwortet seit 30 Jahren schon Briefe von Mädchen und Buben im Namen des Christkinds. Immer wieder rufen auch Kinder an, die das Christkind sprechen wollen.
    Rosemarie Schotte beantwortet seit 30 Jahren schon Briefe von Mädchen und Buben im Namen des Christkinds. Immer wieder rufen auch Kinder an, die das Christkind sprechen wollen. Foto: Patty Varasano

    Sei’s drum. Was zählt, ist etwas anderes. Die magischen Momente, von denen Rosemarie Schotte jetzt erzählt. „Mich rufen immer wieder Kinder an, die gerne mit dem Christkind sprechen wollen. Da gibt es auch ganz hartnäckige, die es mehrmals probieren.“ Sie erhielten dann die Information, dass das Christkind gerade nicht da sei, sondern in der Nacht komme. „Außerdem ist es ja unsichtbar.“ Schottes Mission: Diese besondere Zeit vor Weihnachten mit all ihrer Magie, ihren Geheimnissen und Geschichten für Kinder auf der ganzen Welt bewahren.

    "Dafür sind wir aber der Himmel auf Erden!"

    Und so ist Himmelstadt wirklich ein besonderer Ort. Auch für Elfriede Kordick-Hogen und ihren Mann Günter: Die leidenschaftlichen Motorradfahrer aus dem schwäbischen Illertissen haben hier am 29. Juli 2021 geheiratet. Das kam so: „Wir kommen seit vielen Jahren liebend gern nach Franken, für uns ist das mittlerweile unsere Wahlheimat“, erzählt die 62-Jährige am Telefon. Bei einem dieser Urlaube sei ihr das Straßenschild mit der Aufschrift „Weihnachtspostamt“ aufgefallen. „Ich bin der absolute Weihnachtsfan, also musste ich da natürlich hin.“ Beim Spaziergang durch den Ort seien sie an einem Pavillon am Fluss Main vorbeigekommen. „Wir wussten da schon, dass wir heiraten wollten. Am liebsten am Main und nicht in einem klassischen Standesamt.“ Spontan beschloss das Paar: Hier soll unsere Trauung sein!

    Organisiert wurde sie von Illertissen aus, die Zeremonie selbst fand im kleinen Kreis statt – „nur wir, Bürgermeister Herbert Hemmelmann als Standesbeamter und ein Fotograf.“ Und ihr Motorrad. Für Elfriede Kordick-Hogen und ihren Mann war es eine Traumhochzeit. Erst kürzlich waren sie wieder in Himmelstadt, auf dem Weihnachtsmarkt. Sie haben inzwischen Freunde hier. Eine himmlische Fügung?

    Bei der Frage nach dem Himmlischen an Himmelstadt muss Bürgermeister Hemmelmann grinsen: „Wenn jemand zu mir sagt: Ihr seid doch die doppelte Lüge – weder Himmel noch Stadt, dann antworte ich: Dafür sind wir aber der Himmel auf Erden! Das hat selbst Ministerpräsident Söder bei seinem Besuch am ersten Advent gesagt.“

    Ja, Markus Söder war hier, unter anderem ein kurzer Beitrag eines Lokalsenders beweist es. Söder, umringt von Journalistinnen und Journalisten sowie von als Engel verkleideten Mädchen – ein irgendwie himmlisches Bild. In die Kamera sagte er: „Wir haben schwere Zeiten hinter uns und ich glaub, auch noch einiges vor uns – aber Corona hat uns gezeigt, dass, wenn wir zusammenhalten, wir sehr viel gemeinsam schaffen.“ Mutmach-O-Ton Söder: „Wir werden da schon irgendwie durchkommen und wir packen es schon.“ Ein nachgerade Merkel’scher „Wir-schaffen-das“-Moment. Er sei schon immer ein Weihnachtsfan gewesen, sagte Söder noch in die im Hintergrund tönende Blasmusik hinein. Sein Weihnachtswunsch? Dass der Krieg in der Ukraine endlich aufhöre.

    60.000 Briefe für die Weihnachtspostfiliale

    Zu dem Zeitpunkt waren bereits etwa 5000 Briefe in der Himmelstadter Weihnachtspostfiliale angekommen. Mittlerweile sind es mehr als 60.000. An die 50.000 Briefe seien beantwortet, die meisten mit einem standardisierten Schreiben des Christkindes, sagt Rosemarie Schotte in einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur vom Donnerstag. Neben Klassikern wie Malsachen, Bausteinen oder Fahrrädern wünschten sich so manche Mädchen und Buben eine intakte Familie. Kinder schrieben über den Tod eines Elternteils oder über Krankheiten, Mütter über ihr schwer krankes Kind oder Ehestreitigkeiten. In solchen Fällen greife sie dann selbst zum Stift.

    Tausende Briefe, Medienberichte, der Ministerpräsident – er merke, dass das ganze Jahr über Touristinnen und Touristen auch wegen des Namens nach Himmelstadt kommen, sagt Bürgermeister Hemmelmann. Ob er überdurchschnittlich viele Ortsschild-Diebstähle bemerke? Das könne er nicht bestätigen, sagt er. Himmelstadt sei einfach ein Begriff. Nicht bloß wegen der Weihnachtspostfiliale, auch wegen der Gartenveranstaltungen im Sommer. Und seine Gemeinde sei ja auch Wein- und Gartendorf. Bei zwei Online-Abstimmungen 2010 und 2012 wurde Himmelstadt zur „coolsten Gemeinde Mainfrankens“ und deutschlandweit mit der großen Dorfgartenschau zum „idealen Ort“ gewählt. „Für so was kann man die Leute in Himmelstadt mobilisieren“, meint Hemmelmann und lacht.

    Letzte Frage an den CSU-Bürgermeister: Was ist für ihn himmlisch an Himmelstadt? Seine Antwort: „Der Zusammenhalt bei uns ist schon enorm.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden