Der Penible
Geschenke nehmen sie mit großer Freude und glänzenden Augen entgegen. „Wie wunderschön!“ „Unglaublich süß!“, „Ein Traum!“, rufen sie dann gerne und zeigen allen hartnäckig immer wieder das Prachtstück in ihren Händen. Allerdings richtet sich die komplette Aufmerksamkeit nicht auf den Inhalt, sondern die Verpackung. Durchaus flink werden jetzt Schleifen, Dekoartikel und Tesafilm akribisch entfernt und das befreite Papier sofort sichergestellt. Das Geschenk selber wird ungeduldig zur Seite geschubst oder je nach Volumen auch mit dem Fuß beiseite gekickt, denn die Peniblen brauchen jetzt Platz. Viel Platz. Mit Wonne und voller Elan stürzen sie sich auf das Geschenkpapier und fangen an, es liebevoll zu bearbeiten. Sie streicheln, drücken, knicken und falten - und am Ende sieht der Papierbogen tatsächlich wertiger aus als jemals zuvor.
Sollten Sie Penible unterm Weihnachtsbaum antreffen, seien Sie vorsichtig. Hektisches, unkontrolliertes Auspacken und hässliche Ritsch-ratsch-Geräusche können diese Zeitgenossen nur schwer ertragen. Für sie ist auch der Gedanke, nicht spontan ein Bügeleisen einsetzen zu dürfen, um die Schleifen zu regenerieren, eine Qual. Unterfränkische penible Auspacker sprechen gerne vom „Dibbi-Dobbi“-Zustand ihrer Papier-Geschenke und bieten im Vorfeld allen anderen an, sich sehr gerne um jedweden Schnippel zu kümmern. In ihren Schränken zuhause stapelt sich das gebügelte Geschenkpapier, denn sie bringen es nicht übers Herz, ihre Schätze weiterzugeben.
Unser Tipp: Wenn an Heiligabend irgendwann nichts mehr zu tun ist, geben Sie ihnen ruhig die Tageszeitungen der letzten Wochen an die Hand, Sie bekommen Sie in besserem Zustand zurück als sie je aus der Druckerpresse gekommen sind.
Der Schredderer

Der Aufreißer und die Schredderin feiern nicht Weihnachten, sie ziehen in eine Schlacht. Das Glöckchen zum Auftakt der Bescherung ist noch nicht verklungen, da scannen sie schon lüstern und in Windeseile sämtliche Päckchen. Welches gehört wohl ihnen? Lange Erklärungen sind ihnen lästig, lieber stürzen sie sich mit freudigem Gejohle über den ganzen Berg drüber. Während andere, darunter die Peniblen, mit großer Sorge aufs Geschehen schauen, fliegen schon die ersten Fetzen. Wie die kleine Raupe Nimmersatt wühlen sie sich durch die Päckchen, reißen alles rücksichtslos auf, was ihnen zwischen die Finger kommt. „Kann ich?“, fragen sie auch bei Fremdpaketen und ohne eine Antwort abzuwarten, legen sie los. Ratsch! Zerr! Schüttel! Reiß! Für den Inhalt interessieren sie sich nur am Rande, wichtig ist es, schnell zu sein. „Oh, schön!“ Nächstes Geschenk. „Danke!“ Nächstes Päckchen. „Oh, ist wohl für Dich.“ Und schon grapschen sie mit ihren unsensiblen Schaufelhänden nach dem liebevoll und aufwendig verpackten Weihnachtsgeschenk, diesmal dummerweise vom Peniblen höchstpersönlich gestalteten Traumstück in Gold mit weißen Schillerlocken-Schleifchen, gesichert und aufbereitet an Weihnachten 1976. In einem Bruchteil der Sekunde werfen sich alle gleichzeitig über das Geschenk. Angriff und Verteidigung in Vollendung dargeboten unterm Weihnachtsbaum. Wie die Sache ausgeht, kann man nicht vorhersagen. In den meisten Fällen sind alle beleidigt. Es fallen Wörter wie „Spießer“ und „Papiernazi“ auf der einen und „grobschlächtiger Ignorant“ auf der anderen Seite.
Unser Tipp: Es ist gar nicht gut, wenn Penible und der Schredderer an Heiligabend nebeneinander auspacken. Vor allem sollten Geschenke wie Dampfbügeleisen und Kettensäge tabu sein. Es könnte zu Handgreiflichkeiten kommen.
Die Geduldige

Sie sind der Graus für alle, vorwiegend für jene, die am Abend noch etwas vorhaben. Essen zum Beispiel. Oder spielen. Oder zu später Stunde auch schlafen. Sie nehmen ihre Päckchen so langsam und behutsam entgegen, als offeriere man ihnen gerade die limitierte Auflage des Porzellans des englischen Königshauses. Jede Wollsocke und jeder lieblose Gutschein bekommt noch vor Erscheinen die Bedeutung eines Jahrhundertereignisses zugesprochen. Die Geduldigen lassen allen Anwesenden gütig lächelnd den Vortritt und legen lange nach der Bescherung ihre Geschenke gaaaaanz laaaaaangsaaaaam und seeeeeeehr voooorsichtig auf ihrem Schoß ab, wo diese dann auch erst einmal verbleiben. Gut Ding will Weile haben. Und an Heiligabend verbirgt sich schließlich hinter jedem und allem ein gut Ding. Unter Umständen sogar hinter der Schwiegermutter. Mehr als drei Geschenke für die geduldigen Genießer sollten tabu sein. Sei denn, die Feier geht bis in die frühen Morgenstunden. Mit viel Zureden und unerlaubter Hilfe könnten Sie nach einem gemeinsamen Öffnen des zweiten Geschenkes noch berechtigte Hoffnung auf den Besuch der Mitternachtsmesse haben. Meistens aber nicht. Trinken Sie viel Alkohol und holen Sie als letzte Maßnahme den Aufreißer unter den Baum zurück, der gerade seine neue Kettensäge an Ihrem Gartenhäuschen ausprobiert. Der Aufreißer fackelt nicht lange und ratzifatzi ist die Sache erledigt.
Unser Tipp: Die Geduldigen müssen lernen, dass das Leben kein Ponyhof ist und die Weihnachtszeit keine Genießerzeit. Um Zeit zu sparen, könnten Sie den Schredderer und den Geduldigen schon gleich zu Beginn nebeneinander platzieren.
Die Schnell-weg-damit-Macher

Den Schnell-weg-damit-Machern (SwdM) eilt der Ruf der Undankbaren voraus. Ähnlich wie beim Aufreißer und der Schredderin geht es ihnen nicht um Inhalte. Die Würdigung eines Geschenkes fällt ihnen aber nur deshalb extrem schwer, weil Geschenke an sich schon ein Alptraum für sie sind. Geschenke bedeuten Unordnung und Zeitaufwand pur. Sie packen entsprechend zügig aus, anders jedoch als die Peniblen, halten sie sich nicht mit dem Falten von Papier auf, sondern schaffen Tatsachen in Form von bereits am Mittag unterm Weihnachtsbaum aufgestellten Müllbehältern. Papier, Metall, Restmüll, Biomüll. Auch aufwändig dekorierte Geschenke verschwinden auf diese Weise in Nullkommanichts wie von Zauberhand. Achten Sie darauf, dass die SwdM in ihrem Wahn nicht auch Ihr Geschenkpapier samt Inhalt entsorgen. Es gibt nämlich auch SwdM, die nahezu unbemerkt agieren. Sie schleichen sich mit gelben Säcken bewaffnet leise an die abgelenkten Auspacker heran und ziehen ihnen das Papier quasi unterm Hintern weg, stopfen es in Windeseile in die Säcke und eilen damit zum nächsten Wertstoffhof. Weg ist weg. Herrlich! Was ist das Wunder von Weihnachten gegen das Wunder der Unordnung: Große Papierkörbe! Wieviele Tausende Euro in Form von Gutscheinen und Geldscheinen, die noch am Papier klebten oder unter einer hübschen Deko versteckt wurden, auf diese Weise schon verschwunden sind, kann man nur vorsichtig schätzen.
Unser Tipp: Den SwdM sollte ein eigener und vor allem steriler, also nicht von Weihnachtsdeko, Zweigen und Geschenkpapier verseuchter Bescherungsraum zur Verfügung gestellt werden. Der Windfang vor der Haustür eignet sich sehr gut, da ist man auch näher an den großen Mülltonnen im Hof dran.
Der Desinteressierte

Die uninteressierten Geschenkeauspacker müssen zur Bescherung getragen oder unter Androhung empfindlicher Strafen zum Auspacken gezwungen werden. Im besten Fall schafft es die Spezies, ein kleines Päckchen zu öffnen. Dafür richten sie ihren Blick gelangweilt in die Ferne, tasten kurz nach dem Objekt und lassen es dann halb ausgepackt dort zurück, wo sie es gefunden haben. Bei den anderen Geschenken murmeln sie je nach Sympathie zum Schenkenden ein halbherziges „Mach ich morgen auf“ oder „Nö, jetzt nicht!“. Ihre Geschenke liegen tagelang unterm Weihnachtsbaum, was sehr dekorativ ausschaut und deshalb auch erst zum Problem wird, wenn der Baum längst entsorgt ist und der Osterhase drüber stolpert. Gewiefte und sparsame Hasen übernehmen die Weihnachtsgeschenke und pimpen sie ein wenig mit lustigem Bunny-Papier auf, andere verstecken sie einfach samt Weihnachtspapier so gut, dass am Ende alle glücklich und zufrieden sind.
Unser Tipp: Auch beim Desinteressierten empfiehlt sich ein Dialog mit dem Aufreißer, allerdings erledigt sich hier nur das Auspacken. Am Inhalt sind beide ja gleichermaßen nicht interessiert.
Unser Fazit
Falls Sie gerade nach dem perfekten Auspacker fragen sollten: Den gibt’s nicht. Also seien Sie besser gnädig. Stecken Sie zurück. Lassen Sie Fünfe grade sein. Aber kommen Sie nicht mit der Wir-schenken-uns-Nichts-Nummer. Das ist langweilig. Und sie werden nie erfahren, zu welchem Typ Geschenke-Auspacker Sie gehören. Also, husch, husch. Ran an die Geschenke!