„Dies ist ein wunderschöner Innenhof für ein Puppenspiel“, sagt Elisa Matallín und weist zu den weißen Säulen, die sie umrahmen. Hier, im Museu de Bellas Artes in Valencia, gestaltet Elisa seit Februar sonntags einen Kinder-Kulturvormittag, es gibt jedes Mal ein anderes Märchen, dazu Lieder und Bücher. Sie wird vom Museum bezahlt, für Kinder und ihre Familien ist das Event kostenlos.
Elisa Matallín hat gerade rund 35 Kinder und Eltern mit dem Märchen von den drei Bären zum Lachen und Singen gebracht. Die Kinder waren mit allen Sinnen dabei und hatten Spaß. Man sieht es in ihren Augen, denn Mund und Nase sind von der allgegenwärtigen Maske bedeckt.
In Spanien geht Kultur weiter – auch bei einer Inzidenz von 1000
Ein zweiter Schauplatz: die gemeinnützige Unió Musical in Llíria, einer 23 000-Einwohner-Stadt im Großraum Valencia. In der großen und beliebten Kultureinrichtung läuft seit letztem Sommer ein reger Konzert–, Theater–, und Kinobetrieb. „Sicherheit geht vor – und doch mussten wir in der dritten Welle nicht schließen“, sagt Manoli Martín aus dem Vorstand der Kulturinitiative. Die dritte Welle hatte die autonome Region Valencia zwischenzeitlich fest im Griff: Die Inzidenz lag nach Weihnachten wenige Tage bei 1000, derzeit hat sie mit rund 40 einen der niedrigsten Werte in ganz Europa – Tendenz allerdings wieder steigend. Trotzdem: Kultur geht beständig weiter. Wie geht das, mitten in der Pandemie?
Es scheint, als wirke der extrem harte Lockdown vom Frühjahr 2020 noch nach. Das confinamiento, der Zwangsaufenthalt zuhause, war für ganz Spanien eine traumatische Erfahrung, aus der Gesellschaft wie Politik einiges gelernt haben. Man spürt die Vorsicht überall. Eine weitere Erkenntnis aus der Zeit der Isolation: Kultur ist unverzichtbar, wenn Menschen mental gesund bleiben und eine womöglich längerfristige eingrenzende Politik mittragen sollen. Politik und Institutionen unternehmen deshalb einiges, damit Kultur möglich bleibt. So bekommen dann auch Kunstschaffende die Möglichkeit, überhaupt Geld zu verdienen, denn die öffentlichen Hilfen für Selbständige sind in Spanien weitaus geringer als etwa in Deutschland.

Zumal eine wesentliche Einschränkung fortbesteht: Ohne triftigen Grund dürfen Einwohner derzeit ihre Comunidad nicht verlassen – Comunidades Autónomas heißen die 17 autonomen Gebietskörperschaften, die etwa die Größe unserer Bundesländer haben. In Spanien wird die Diskussion über Erleichterungen für Geimpfte vor allem in diesem Zusammenhang geführt, nicht so sehr beim Thema Kulturveranstaltungen – diese sollen weiterhin allen offenstehen.
Die kulturellen Institutionen nehmen ihre Verantwortung sehr ernst und wollen, dass Besucherinnen und Besucher sich so sicher fühlen wie möglich. Es liegt im Übrigen in ihrem eigenen Interesse, dass sich ihr Publikum nicht ansteckt und weiterhin regelmäßig kommen kann.
Schon in den Familien erkennt man, dass sich grundsätzlich etwas verändert hat
Dass sich grundsätzlich etwas verändert hat, kann man aber schon in den Familien erkennen. Jeder, der schon einmal Familienbesuch in Spanien erlebt oder beobachtet hat, weiß: Küsschen, Umarmung und das Herumreichen von Babies und Kleinkindern gehört unausweichlich dazu.
Wir, mein Mann und ich, kommen diesmal mit dem drei Monate alten Baby und der fünfjährigen Tochter. Bei den spanischen Schwiegereltern ist alles wie gewohnt – ganz anders aber bei Tanten, Onkeln, Freunden und Cousinen. Sie kommen nur mit Maske, halten Abstand und fassen weder uns noch die Kinder an, das Baby bleibt unbehelligt im Kinderwagen liegen. Stattdessen gibt es Geschenke und die auch in Spanien verbreitete Begrüßung mit dem Ellenbogen.

Zu diesem vollkommen veränderten Eindruck der spanischen Gemeinschaft passt, dass wirklich überall Desinfektionsmittel zur Verfügung stehen – an allen öffentlichen Orten, vom Flughafen bis zum Einzelhandel und zur Kathedrale. Hinzu kommt eine allumfassende Maskenpflicht. Die Maske tragen alle ab sechs Jahren überall außerhalb des eigenen Hauses. Auch beim Wandern in den Bergen, am Strand und bei offenem Fenster im Auto.
„Es gibt Regelungen aus Madrid, die alle betreffen, zusätzlich treffen die autonomen Regionen ihre eigenen Bestimmungen“, erklärt Manoli Martín. Das bedeutet zwar, dass in Madrid andere Regeln gelten können als in Valencia oder Barcelona. Grundsätzlich aber sei die wichtigste Regel für Kultur, „dass alles stattfinden kann, so lange Hygienekonzepte, Sicherheitsabstände und Maskenpflicht eingehalten werden können“.
Das Beispiel Spanien zeigt auch: Menschen tun viel für Kultur, wenn man sie lässt
Für den Gaststättenbetrieb gelten andere Regeln, weshalb der Verzehr von Speisen und Getränken in Kinos, Konzertsälen und Theatern nicht gestattet ist. Der große Saal der Unió Musical in Lliria ist lüftungstechnisch gut ausgestattet, so dass dort auch Konzerte mit dem jungen Orchester oder der Banda, der Blaskapelle, stattfinden können. In Profi-Orchestern, so lerne ich vom Leiter des Laienorchesters in Lliria, sind seit Ende letzten Jahres regelmäßige PCR-Tests Pflicht. „Da kam es schon mal vor, dass Konzerte ausfallen mussten. Nach der Quarantäne und mit negativen Tests ging es dann aber wieder weiter.“
Was können wir daraus lernen? In erster Linie, dass Hygiene, Abstand und Masken sehr wirksam sein können. So wirksam, dass Kultur eben auch in Zeiten von Corona möglich ist. Das Beispiel Spanien zeigt auch: Menschen tun viel für Kultur, wenn man sie lässt. Auch und gerade in herausfordernden Zeiten. Und wenn man erlebt, wie die Puppenspielerin Elisa Matallín und die Kinder gemeinsam Spaß haben, sind diese Zeiten schon ein bisschen weniger herausfordernd.
