Die Kirche "St. Simon und Judas Thaddäus" in Unterelsbach prägt mit ihrer Lage auf dem Hügel das Bild des Rhöner Dorfs schon von Weitem. Bei kürzlich abgeschlossenen Sanierungsarbeiten kamen im Inneren des Gotteshauses jedoch unerwartete, bauliche Besonderheiten ans Licht, die sowohl Ingenieure als auch Handwerker begeistern.
"Weil ein Gesims-Balken drohte, aus seiner Verankerung zu kippen, Feuchtigkeit ins Dach eindrang und der Außenputz abfiel, wurde der bauliche Zustand der Kirche genauer untersucht. Dabei machten die Beteiligten eine bemerkenswerte Entdeckung, die uns vorher so nicht bewusst war", berichtet der Unterelsbacher Kirchenpfleger Peter Zöller. Was anfangs nach einer fast routinemäßigen Kirchensanierung aussah, entpuppte sich als eine konstruktionstechnische Seltenheit, welche in Rhön und Grabfeld wenig bis gar nicht zu finden ist.
Wo Meister ihres Fachs am Werk waren
"Das fast rechteckige, einschiffige Langhaus ist ungewöhnlich groß und kommt ohne tragende Säulen und Seitenschiffe aus – eine echte Seltenheit hier in der Region", erklärt Dieter Federlein vom gleichnamigen Ingenieurbüro in Salz. Möglich macht dies eine außergewöhnliche Konstruktion mit sogenannten Streben und Hängewerke innerhalb dieses Langhausdaches. Hierbei werden die Lasten der Decke über eine kunstvoll gearbeitete Balkenkonstruktion im Dach bis auf die Außenwände übertragen. "Das waren keine kleinen Scheunenbauer damals. Das waren Meister ihres Fachs und echte Künstler", sagt Dieter Federlein. "Solch eine anspruchsvolle Bauweise findet man normalerweise nur bei Kathedralen mit übergeordneter Bedeutung, nicht bei Dorfkirchen."

Von dieser meisterhaften Konstruktion sollten auch die Nachwuchskräfte des Ingenieurbüros direkt und anschaulich vor Ort lernen und Erfahrungen sammeln. Im Rahmen einer Exkursion erkundeten drei Auszubildende und drei Dual-Studierende des Büros gemeinsam die Kirche und das Dachgebälk. Schon beim Betreten des Kirchenschiffs, waren sie erstaunt und stellten sich die Fragen: "Wie funktioniert und hält das alles?"
Eine Kirche, die Nachwuchs-Ingenieure begeistert
Was sie in der Hochschule nur auf alten Bildern sehen, konnten sie in Unterelsbach direkt begutachten – quasi Lehrbuch live. Handnah, wie es ein Fachausdruck vorgibt, konnten sie nun die Konstruktion aufnehmen.

Mit Maßbändern, Taschenlampen und Fachliteratur ausgestattet, kletterte die Gruppe in das Dachgeschoss. Dort erlebten sie die imposante Konstruktion aus nächster Nähe. "Es ist faszinierend, wie präzise hier gearbeitet wurde – und das vor Jahrhunderten, ohne moderne Hilfsmittel", kommentierte einer der Azubis. Die jungen Ingenieure dokumentierten die historischen Balkenverbindungen, analysierten die Statik, deren Kraftfluss und die Lastverteilung.

Was die Unterelsbacher Kirche außerdem besonders macht
Handskizzen bilden dabei die Basis für eine Weiterbearbeitung im Büro. Ihre Ergebnisse werden sie bei der Weihnachtsfeier des Büros durch einen eigens erstellten Vortrag den Mitarbeitern präsentieren – samt Fachbegriffen und Erläuterungen zu dieser besonderen Holz-Konstruktion und seiner Bauweise.
Neben dem außerordentlichen Dachtragwerk birgt die Kirche noch weitere Besonderheiten. "Unser Hochaltar stammt ursprünglich aus dem Kloster Maria Bildhausen. Er wurde vermutlich im Zuge der Säkularisation nach Unterelsbach gebracht und hier wieder genauso aufgebaut", berichtet Peter Zöller, der sehr viel Zeit und Leidenschaft in seine Unterelsbacher Kirche steckt. Zudem weist die Kirche eine seltene Orientierung auf: Der Altarraum ist, anders als in den meisten christlichen Kirchen, nicht nach Osten, sondern nach Westen ausgerichtet – ein weiteres Alleinstellungsmerkmal dieses historischen Bauwerks.